Interface Design Mailingliste: Re: [Interface] Die Facetten des Interface-Designs

Autor: Philipp Heidkamp (heidkamp_at_syntax-design.de)
Datum: Die 25 Sep 2001 - 19:35:38 CEST



Guten Abend,

das ist ja genau der Spannungsbogen von dem ich auch schrieb. Mit *totgesagt* wollte ich mein Verständnis für Michaels Aussagen zum Ausdruck bringen, nicht aber die uneingeschränkte Unterstützung. Deshalb ja die Argumentation dass es eben kurzfristige Optionen und langfristige Optionen bzw. Arbeits- und Forschungsfelder geben muß.

Grenzen wir das mal auf den Bereich der Visualistik (als -heute- wichtigste sensoriale Codierungsform) ein. Da gibt es eine ganze Menge an Themenfelder, die zum Interfacedesign gehören und nicht deshalb, weil es spannendere (aufregendere, weil fremdere, futuristischere?) Interaktionsumgebungen, einfach verschwinden.
Wenn das Design (perspektivisch) im Körper endet,wie Frank angeführt hat, dann entzieht es sich auch Gestaltungsformen. Denn das Interface ist Mittler, und das Ziel ist es natürlich, den Mittler "verschwinden" zu lassen. Hier kann man jetzt gut streiten.  

Auf der anderen Seite, und darauf hat Michael ja hingewiesen, macht der Mittler uns eben auch etwas bewußt, was bei den Cyborg-Implantaten schwer oder nicht trennbar wäre (sehe ich dieses Objekt WIRKLICH oder sird es mir "eingespiegelt"). Ich möchte die Diskussion jetzt nicht in die Richtung weiterführen, was das wirkliche Vor- oder Zuhandensein eines Objektes bedarf und welche Auswirkungen beispielsweise der radikale Konstruktivismus auf die Wahrnehmung und Konstruktion von Welt hat.

Wenn wir aber sagen, es gibt eine Information, mit der ein Nutzer interagieren will (eine Grafik, ein Videobild, eine Erklärung des WTC-Crashes, ein Text der fortgeschrieben werden soll, eine zu überarbeitende CAD-Zeichnung) dann müssen wir für diese Settings Interfaces entwerfen. Das ist klar. Wir sollten natürlich auch überlegen, wo das W/IMP Interface durch physikalische Komponenten erweitert werden kann (Mikrofon für Diktieroptionen, XYZ-Koordinatendrehregler bei CAD, natürlich auch der Dataglove etc).

Aber dann haben wir wieder eine Darstellung dessen was wir "entworfen" haben und die Anzahl von Optionen, wie wir mit diesem (digitalen) Artefakt weiter verfahren können. Haben wir nun den Dataglove, dann benötigen wir eine Form von Überlagerung der Handlungs- und Manipulationsoptionen.

Damit zeigt sich, daß Handlungsspielräume gestaltet werden. Was ist, wenn jetzt 10 Leute parallel (oder zumindest gemeinsam) an einem Entwurf arbeiten möchten? Sitzen alle irgendwo auf der Welt auf einem Sofa in ihren Home Offices und *denken* sich Änderungen die per Breitbandnetz zu allen anderen Teilnehmern übertragen werden und zurück? Natürlich, da gibt es die Workbench der GMD, die hier eindrucksvolle Optionen zeigt - aber noch immer externalisiert, glücklicherweise.

Also können wir jetzt in drei Richtungen diskutieren 1. was wird dargestellt, was soll man als Nutzer tun können 2. welche InterfaceParadigmen über WIMP hinaus sind denkbar, sinnvoll, angemessen
3. welche Funktionen lassen sich idealerweise als möglichst Körpernahe Peripherie entwickeln und perspektivisch sogar implementieren

1 kann ohne 2 diskutiert werden, aber 2 nicht ohne 1. Bei 3 kann man, wie Claus schrieb -und da stimme ich ihm in vielen Punkten zu- über Gefahren, Risiken und Nebenwirkungen diskutieren. Oder?

Zu Punkt 2 gehört, und da greife ich Michaels Frage auf, auch die Frage, wie wir mittels unseres Körpers auf neue Weise mit Medien bzw. Umgebungen interagieren können. Die ganze Thematik des LBS sowie der Sensorik und Userkennung /Sicherheitstechnologie wird hier einiges an Optionen eröffnen, wo wir Designer gut daran tun, frühzeitig szenarien aufzuzeigen - sonst dürfen wir hinterher die Banner für die Retinaleinblendungen von Sonderangeboten eines Produktes A was Kunde B im Supermarkt C sieht aber im Supermarkt D billiger ist gestalten. Und alles als Push-Medium - schliesslich ist die Hardware werbefinanziert.

Es geht auch anders, interessant der Ansatz von Stefan Schemat, der die Dramaturgie des Romans in den Raum verlagert und der Nutzer interagiert durch die reale Bewegung im (Stadt)Raum.

Viele Grüße,

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  • Prof. Philipp Heidkamp
  • Interfacedesign / Interaktionsdesign
  • FH Koeln Fachbereich Design

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