Interface Design Mailingliste: Re: [Interface] Die Facetten des Interface-Designs

Autor: Oliver Wrede (oliver.wrede_at_web.de)
Datum: Mit 26 Sep 2001 - 12:19:29 CEST


>Daneben hängt das "Was" wohl auch vom Zweck des Interfaces ab.

Ich meine:

Das Interface hängt vom Zweck des "Was" ab.

Aber neben der Wort-Gauklerei sei angemerkt, dass die Interfacedesign-Theorie einen Widerspruch in sich birgt, denn wie an anderer Stelle schon angemerkt wurde: das beste Interface ist kein Interface.

Wir stehen vor der Interfaceproblematik ja nur deshalb, weil wir nicht in der Lage sind ohne die zu gestaltenden Werkzeuge Handlungen auszuführen. Anders gesagt: Wir sind nicht in der Lage sie so zu gestalten, dass sie verschwinden - und zwar nicht im Sinne von "verstecken", sondern rigoros aus der Erfahrungswelt des Benutzers entfernt.

Es spielt also eine untergeordnete Rolle, ob sich ein Schalter in einem Gehirn oder an einem Finger befindet - denn man muss ihn ja betätigen. Man muss also ein Wissen darüber erwerben können, wann ein Ereignis ausgelöst werden muss und wann nicht. Erst dann benötigt man das Wissen über den Schalter selbst.

Die Diskussion über syntethische Erweiterungen des Körpers wird daher interessant, wenn eine solche Erweiterung auf das "Bedienungswissen" Einfluss hat - hierdurch sozusagen die Notwendigkeit den Gebrauch des Interfaces zu erlernen verschwindet. Es ist aber fraglich, ob wir in absehbarer Zeit in der Lage sein werden Prothesen zu entwickeln, die mehr als nur eine graduelle Verbesserung bewirken können (davon sind natürlich Mittel zur Kompensation von Behinderungen ausgenommen).

Ich hatte bei einer anderen Diskussion hier in der Liste auch schon einmal bemerkt, dass ein Interface ja durchaus auch immaterieller Natur sein kann (und zwar ohne jetzt auf unsichtbare Körper-Erweiterungen abzuheben):

Ich schrieb am 24.01.2001 im Kontext Interaktionsdesign&Lehrbuch:

Jedoch würde ich z.B. die Gestaltung des Inhaltes eines Lehrbuches sehr wohl zum Thema "Interfacedesign" zuordnen - denn es geht ja darum zum Vorverständnis des Lesers eine entsprechende Vermittlungsstrategie auszuformen, die ihm bei der Durchführung einer sehr speziellen Handlung behilflich sind: dem Lernen.

Vor einigen Wochen stellte ich in einem Vortrag mit dem Titel "Das Interface zum Interfacedesign" versuchsweise (!) ein Schichtenmodell des Interfacedesigns vor:

  1. Ebene physiologische Bedingungen
    (Wahrnehmbarkeit, Haptik, Körperanalogie/Motorik)
  2. Ebene mentale und kognitive Bedingungen
    (Zuordnungen, Ergänzung, Assoziation,
    Erinnerbarkeit, kognitive Transformation/Entzerrung)
  3. Ebene psychologische Bedingungen
    (Wünsche, Ängste, Glauben, Intuition, Lernen)
  4. Ebene kommunikative Bedingungen
    (Zeichenhaftigkeit, Syntax, Lesbarkeit, Verständlichkeit,
    Bedeutungen, Analogiebildung)
  5. Ebene soziale Bedigungen
    (Maßstäbe, Verhaltensmuster/Rollen, Konventionen,
    verschiedene Bedeutungsebenen, Intentionen)
  6. Ebene kulturelle Bedingungen
    (Identifikation, Haltung, Lebensentwürfe)
  7. Ebene ästhetische Bedingungen
    (kumuliert; Interaktionen zwischen verschiedenen Ebenen;
    Aneignungsmöglichkeiten; Aneignungsformen; Ästhetische Ideologien/ästhetischer Konsens)

Wir halten uns im Design traditionell in der 1. Ebene (vornehmlich im Produkt- und Industriedesign) und in der 4. Ebene (vornehmlich im Grafik- und Kommunikationsdesign) auf.

Wir beginnen gerade erst die Möglichkeiten, Gestaltungsoptionen und den damit verbundenen Schwierigkeiten der anderen Ebenen zu begreifen und richten dementsprechend auch die Designausbildung neu ein.

Inzwischen entfernt sich die Diskussion von diesem eher analytischen Gerüst hin zu einer Konzeption von Berdürfnis- und Erlebnis-Szenarien (Interaktionsdesign und Experience-Design).

In der Folge davon sind spezifische formale Ausarbeitungen weniger wichtig - die Konzeption von zusammenhängenden und "simplen" Schlussfolgerungsketten (Erwartungskonformität) wird wichtiger. Die Kunst ist weniger das formale Detail, sondern wie stark man komplexe Zusammenhänge auf simple Interaktions-Prinzipien herunterbrechen kann ohne die Qualitäten zu verlieren, die ursprünglich vielleicht zu der Komplexität geführt haben.

Gruss,
Oliver Wrede



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