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Interface Design Mailingliste: Re: [Interface] Die Facetten des Interface-Designs
Autor: Andreas Schwankl (anschwan_at_ds.fh-koeln.de)
Datum: Don 27 Sep 2001 - 03:36:42 CEST
Hallo Oliver,
na wieder zurück aus dem Land des Bösen ;). Dank für die comments zum
Personalisierungstopic. Ich habe mich bei passport einmal testweise
eingeloggt und habe anschließend auch einige Passport-sites besucht. Dabei
konnte ich allerdings keine wirkliche Errungenschaft in Richtung eines
Mehrwerts erkennen. Sieht irgendwie ähnlich wie bei yahoo.groups ehemals egroups
und Konsorten aus. Wobei mir zuletzt genannte durchaus sympatischer
sind. Was dann die sogenannte Passport-funktion betrifft, mit der man dann
auch bei Partnersites über sein Persönliches Setting verfügen kann, können
soll!, ist auch nicht zu bestätigen. Es ist weiterhin notwendig bei
existierenden LogIns (wie bei mir etwa Hotmail) mit den alten Passwörtern zu
hantieren. Aber vielleicht muss mein Account auch erstmal verarbeitet werden
und in ein paar Tagen werfe ich dann überrascht den Blick ins Goldene Land.
Ein heisses Thema das um Personalisierung zu kreisen scheint ist soweit ich
die Artikel auf Heise und anderwo gelesen habe, das der Datensicherheit. Da
kocht bei vielen die Angst nach User-Profiling und Daten-Veruntreuung hoch.
Bei Microsoft-Passport eigentlich erstaunlich, da man zumindest bei der
Anmeldung nicht einmal den eigenen Namen angeben muss, selbst eine
willkürliche/frei erfundene Domain nach dem @ Zeichen schluckt das
Registrierungsformular ohne zu zögern. Vielleicht sollte ich es nochmal mit
Andreas_at_interface.mil oder .gov versuchen. ;)
Nur leider ist abseits der juristischen Diskussionen nicht wirklich
brauchbares Artikelmaterial zur eigentlichen Bedürfniswelt der User oder zu
Gedankengängen wie bei solchen Tools der konzeptionelle Background in Bezug
auf Interfacegestaltung aussieht oder aussah zu finden. Ich werde mich morgen
einmal in die Schluchten der Microsoftschen Website begeben, vielleicht ist
da das eine oder andere paper zu finden. Den einen oder anderen klugen Kopf
scheint es da ja noch zu geben. If erfolgreich, dazu später mehr.
Zur anhängenden mittlerweile vorletzten Mail von Dir, jetzt noch ein paar
Comments meinerseits....
Oliver Wrede <oliver.wrede_at_web.de> schrieb:
>
> >Daneben hängt das "Was" wohl auch vom Zweck des Interfaces ab.
>
> Ich meine:
>
> Das Interface hängt vom Zweck des "Was" ab.
>
>
> Aber neben der Wort-Gauklerei sei angemerkt, dass die
> Interfacedesign-Theorie einen Widerspruch in sich birgt, denn wie an
> anderer Stelle schon angemerkt wurde: das beste Interface ist kein
> Interface.
>
> Wir stehen vor der Interfaceproblematik ja nur deshalb, weil wir
> nicht in der Lage sind ohne die zu gestaltenden Werkzeuge Handlungen
> auszuführen. Anders gesagt: Wir sind nicht in der Lage sie so zu
> gestalten, dass sie verschwinden - und zwar nicht im Sinne von
> "verstecken", sondern rigoros aus der Erfahrungswelt des Benutzers
> entfernt.
>
> Es spielt also eine untergeordnete Rolle, ob sich ein Schalter in
> einem Gehirn oder an einem Finger befindet - denn man muss ihn ja
> betätigen. Man muss also ein Wissen darüber erwerben können, wann ein
> Ereignis ausgelöst werden muss und wann nicht. Erst dann benötigt man
> das Wissen über den Schalter selbst.
>
> Die Diskussion über syntethische Erweiterungen des Körpers wird daher
> interessant, wenn eine solche Erweiterung auf das "Bedienungswissen"
> Einfluss hat - hierdurch sozusagen die Notwendigkeit den Gebrauch des
> Interfaces zu erlernen verschwindet. Es ist aber fraglich, ob wir in
> absehbarer Zeit in der Lage sein werden Prothesen zu entwickeln, die
> mehr als nur eine graduelle Verbesserung bewirken können (davon sind
> natürlich Mittel zur Kompensation von Behinderungen ausgenommen).
>
Nicht gerade in Bezug auf Prothetik, aber durchaus generell interessant finde
ich die paar Gedanken, die Norman zu "natural mapping"-Methoden geschrieben
hat. Wäre das ein verfolgenswerter Ansatz, der gerade wieder bei interfaces,
die sich auf den reelen Raum oder in Richtung Körpernähe/inneres zubewegen.
Häufig ist das akute Problem bei der intuitiven Handhabung von
Benutzeroberflächen ja gerade der fehlende Link oder das fehlende Wissen zur
Generierung des notwendigen mentalen Modells, nachdem die weiteren
Interaktionen/ketten auf ein erfolgreiches Level gehieft werden.
Erstaunlicherweise gibt es da scheinbar auch einen recht erheblichen
Unterschied zwischen weiblicher und männlicher Modellgenerierung. Frauen
gehen angeblich wesentlich logistischer vor, als Männer, die lieber trial and
error losstarten, wenn sie eine neue Oberfläche, zum beispiel Bürosoftware
erobern wollen. Vielleicht gibt es da ja common ground-Situationen, die als
Basis für neue Interaktionsmodelle erfolgreich Verwendung finden würden. Auf
der Ars dieses Jahr gab es ein Video-Interface, das durch Projektion auf den
Boden gebeamt wurde und Userbewegungen (ich vermute) über
Infrarotschnittstellen in Echtzeit auf Feedback berechnet hat. Das Setting
sah dann folgendermaßen aus. Man sah auf dem Boden eine Projektion von einem
vorbeiziehenden Himmel. Ab und an liefen Menschen durchs Bild. Diese schienen
bei der Videoaufnahme über eine Glasfläche gelaufen zu sein, da man den
Eindruck hatte sie würden einfach (vom eigenen Standpunkt aus betrachtet)
nach unten um 180 Grad gespiegelt, also mit dem Kopf nach unten unter einem
durch laufen (wenn man in der Projektionsfläche stand). Nun geschah
folgendes. Jeder Besucher des Raums (eigentlich ein Durchgang zu einem
anderen Raum) verspürte den Drang in die Fußstapfen der projezierten Menschen
zu treten und mit ihnen den Raum zu durchqueren oder auch (wenn die
Projezierten stehenblieben) einfach nur an einer Stelle stehen zu bleiben.
Sobald man sich mit dem vermeindlichen Gegen(unter) synchron bewegte (ging)
konnte man im ansonsten stillen Raum die Gedanken der projezierten Person
akustisch wahrnehmen. Von Kindern bis zu Rentnern hat jeder sofort begriffen
wie diese Installation zu usen ist. Ich glaube es gab sogar Leute, die
hielten sich hier über eine Stunde auf um alle Gedanken der Projezierten zu
ergattern. So waren alle in Bewegung und manche sprangen sogar von
Projektionsmensch zu Projektionsmensch. Gedankensampling at its best.
>
> Ich hatte bei einer anderen Diskussion hier in der Liste auch schon
> einmal bemerkt, dass ein Interface ja durchaus auch immaterieller
> Natur sein kann (und zwar ohne jetzt auf unsichtbare
> Körper-Erweiterungen abzuheben):
>
> Ich schrieb am 24.01.2001 im Kontext Interaktionsdesign&Lehrbuch:
>
> Jedoch würde ich z.B. die Gestaltung des Inhaltes eines Lehrbuches
> sehr wohl zum Thema "Interfacedesign" zuordnen - denn es geht ja
> darum zum Vorverständnis des Lesers eine entsprechende
> Vermittlungsstrategie auszuformen, die ihm bei der Durchführung einer
> sehr speziellen Handlung behilflich sind: dem Lernen.
>
>
> Vor einigen Wochen stellte ich in einem Vortrag mit dem Titel "Das
> Interface zum Interfacedesign" versuchsweise (!) ein Schichtenmodell
> des Interfacedesigns vor:
>
> 1. Ebene
> physiologische Bedingungen
> (Wahrnehmbarkeit, Haptik, Körperanalogie/Motorik)
>
> 2. Ebene
> mentale und kognitive Bedingungen
> (Zuordnungen, Ergänzung, Assoziation,
> Erinnerbarkeit, kognitive Transformation/Entzerrung)
>
Gerade über diesen Bereich würde ich gerne mehr erfahren. Wäre Dein Artikel
im Formdiskurs zu Mnemotechnik nicht diesem Bereich zuzuordnen?
> 3. Ebene
> psychologische Bedingungen
> (Wünsche, Ängste, Glauben, Intuition, Lernen)
>
> 4. Ebene
> kommunikative Bedingungen
> (Zeichenhaftigkeit, Syntax, Lesbarkeit, Verständlichkeit,
> Bedeutungen, Analogiebildung)
>
> 5. Ebene
> soziale Bedigungen
> (Maßstäbe, Verhaltensmuster/Rollen, Konventionen,
> verschiedene Bedeutungsebenen, Intentionen)
>
> 6. Ebene
> kulturelle Bedingungen
> (Identifikation, Haltung, Lebensentwürfe)
>
> 7. Ebene
> ästhetische Bedingungen
> (kumuliert; Interaktionen zwischen verschiedenen Ebenen;
> Aneignungsmöglichkeiten; Aneignungsformen; Ästhetische
> Ideologien/ästhetischer Konsens)
>
Insgesamt finde ich diese Auflistung hier mehr als hilfreich. Ein Endlich und
Danke, dem der sich hier die Mühe gemacht hat. Über diese Auflistung sollten
wir mal etwas stärker nachdenken. Gibt es hierzu einen etwas ausführlicheren
Text von Deiner Seite? Würde ich gerne lesen.
>
> Wir halten uns im Design traditionell in der 1. Ebene (vornehmlich im
> Produkt- und Industriedesign) und in der 4. Ebene (vornehmlich im
> Grafik- und Kommunikationsdesign) auf.
>
> Wir beginnen gerade erst die Möglichkeiten, Gestaltungsoptionen und
> den damit verbundenen Schwierigkeiten der anderen Ebenen zu begreifen
> und richten dementsprechend auch die Designausbildung neu ein.
>
>
> Inzwischen entfernt sich die Diskussion von diesem eher analytischen
> Gerüst hin zu einer Konzeption von Berdürfnis- und Erlebnis-Szenarien
> (Interaktionsdesign und Experience-Design).
>
> In der Folge davon sind spezifische formale Ausarbeitungen weniger
> wichtig - die Konzeption von zusammenhängenden und "simplen"
> Schlussfolgerungsketten (Erwartungskonformität) wird wichtiger. Die
> Kunst ist weniger das formale Detail, sondern wie stark man komplexe
> Zusammenhänge auf simple Interaktions-Prinzipien herunterbrechen kann
> ohne die Qualitäten zu verlieren, die ursprünglich vielleicht zu der
> Komplexität geführt haben.
>
>
> Gruss,
> Oliver Wrede
>
>
>
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Andreas Schwankl
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