Interface Design Mailingliste: [Interface] Diskussion im Web v2.0

Autor: Marian Steinbach (marian_at_ds.fh-koeln.de)
Datum: Mon 01 Jul 2002 - 23:13:18 CEST



Hallo zusammen!

Mit dem nächsten Jahrbuch des Fachbereich Design will die Jahrbuch-Gruppe erstmals dem Dialogcharakter der Lehre an unserem Fachbereich (Interaktion der Lehrgebiete, Debatte und Diskurs semesterübergreifend etc., Interdisziplinarität) gerecht werden. Deshalb werden Beiträge im Buch nicht monolithisch dargestellt, sondern von Kommentaren, Ergänzungen und Anmerkungen aus der Jahrbuch-Redaktion flankiert.

Um dieses Konzept des Dialogs nicht am Zeitpunkt des Drucks in ein Buch wie jedes andere münden zu lassen, sondern die Käufer des Buchs und interessierte Leser an diesen Diskussionen zu beteiligen, gibt es (nach meiner Meinung) nur einen Weg: Die Diskussion über das Internet weiter zu führen.

Hierfür sollen zuerst einmal alle Artikel und das unmittelbar zu den Artikeln gehörende Bildmaterial im Web frei einsehbar sein. Das gilt auch für die Kommentare, die im Buch zu lesen sein werden.

Darüber hinaus sollen Besucher selbst Anmerkungen hinzufügen können. Diese Anmerkungen wiederum sollen auch kommentiert werden können, etc.

Soweit handelt es sich um ein gewöhnliches Diskussionsforum, eine Newsgroup, ein Bulletin Board, oder wie man es nennen möchte. Sogar eine Mailingliste wie diese hier könnte genutzt werden, um die Aufgabe zu lösen.

Wir haben jedoch ein paar Vorstellungen, die über die Möglichkeiten normaler Newsgroups/Foren hinausgehen.

So soll man beispielsweise Kommentare nicht nur grob einem bestimmten Artikel zuordnen können, sondern sich genauer auf eine bestimmte Textstelle im referenzierten Text beziehen können. Bei Newsgroups und E-Mail gibt es hierfür die tradierte Form des "Inline quoting". Dabei werden eigene Kommentare als Einschübe in den Originaltext eingefügt. Die E-Mail-Clients sorgen in der Regel durch das Enfügen von spitzen Klammern ">>>" dafür, dass man erkennen kann, welcher text in welcher "Ebene" einer Diskussion liegt und von wem er verfasst wurde.

Leider sorgt dieses Verfahren bei komplexeren Diskursen leicht für schlechten Duchblick. Bei mehr als ca. 3 bis 5 Ebenen lässt sich schlecht zurück verfolgen, was zu wem gehört.

Ein weiteres wichtiges Argument ist, dass eine solche Struktur nur eine streng hierarchische Ordnung in der Diskussion zulässt. Ein Kommentator kann sich nicht oder nur schwer) auf mehrere voneinander getrennte Textstellen beziehen, um mehrere diese Punkte in einer Argumentation in Beziehung zu bringen. Zumindest ist dies dann nicht mehr ohne weiteres aus der visuellen Struktur des Beitrags zu erkennen. Stattdessen muss mit Formulierungen wie "wie auch im ersten Absatz erwähnt" oder "unter Bezugnahme auf Ihre frühere Äußerung" usw. gearbeitet werden.

Wer nun aber sehen will, was bereits zu einem bestimmten Aspekt / Argument / Abschnitt eines Beitrags gesagt wurde, hat keine Möglichkeit, diese leicht aufzufinden.

Für die Web-Version des Jahrbuchs strebt mir folgendes vor, was sicherlich nicht speziell dafür zu gebrauchen wäre, sondern textbasierte Diskussion generell aufwerten könnte:

  • Kommentare können einem oder mehreren Beiträgen zugeordnet werden, also beliebig viele "Bezugspunkte" haben.
  • Bezugspunkte sollen im Text an beliebiger Stelle, idealerweise auf Satzebene, gerne aber noch feiner, positioniert werden können. (Denkbar ist theoretisch eine Bezugnahme auf ganze Artikel, bestimmte Abschnitte, einzelne Absätze, einzelne Sätze, Wortgruppen und Wörter.)

Das bedeutet nach meinem jetztigen Verständnis aber auch, dass Nutzer dafür verantwortlich sind, ihre Beiträge so genau wie möglich zuzuordnen, eventuell eben auch an mehreren Bezugspunkten. Das könnte eine Herausforderung für das Interface Design sein, besonders im Web.

Ich nehme an, dass sich eine Menge Menschen Gedanken zu diesem Thema gemacht haben. Wenn jemand in der Liste Artikel, Papers oder praktikable Beispiele kennt, würde ich mich freuen, davon zu erfahren. Natürlich bin ich auch an persönlichem Feedback und Meinungen interessiert. Ich denke, es handelt sich um ein spannendes Thema, das man auch losgelöst von der Anwendung für das Jahrbuch diskutieren kann.

Ich selbst kenne in diesem Zusammenhang, ohne weiter recherchiert zu haben, zwei interessante Arbeiten. Eine ist "Forest of Thoughts" (http://www.zeit.de/forest) von Boris Müller und Sven Voelker. Der Fokus liegt hier allerdings nicht auf einer textbasierten Diskussion, sondern auf der Erzeugung eines assoziativen Ausstellungsraumes.

Die zweite Arbeit ist iForum von Oliver Wrede, seine Diplomarbeit zum Konzept eines visuell/graphisch gestützten Diskussionsforums. Die arbeit liegt mir leider (noch) nicht vor.

Danke im Voraus für eventuell regen Austausch!

-- 
Marian Steinbach
http://www.ds.fh-koeln.de/~marian/
ICQ# 9790691



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