Interface Design Mailingliste: Re: [Interface] [link geposte] -> Was treibt eigentlich prof. peter stephan ?

Autor: Marian Steinbach (marian_at_kisd.de)
Datum: Son 04 Mai 2003 - 16:10:07 CEST



Hallo Andreas und andere!

Andreas Schwankl wrote:
> ...
>
> PS. Bezüglich Deiner (Marian) Anfrage zur Rolle von Infodesign in den
> letzten Zeiten des Kriegs wollte ich nochmal anfragen, ob Deine Frage
> diesbezüglich allgemein ausgerichtet war oder ob Du da ein wenig
> spezieller werden kannst. Meintest Du Infodesign in den Medien generell
> oder speziell in Tageszeitungen oder im Fernsehen (Die Familie CNN und
> N24) oder auch im Netz?

Die Anfrage sollte im Sinne eines Aufrufs zur Diskussion verstanden werden und diejenigen, die ein wenig über das Phänomen der Hochkonjunktur von sogenannter Infografik zu Kriegszeiten grübeln, zum lauten Austausch anregen. Dabei wollte ich eigentlich niemanden auf eine bestimmte Erscheinungsform dieses Phänomens festlegen.

Um das ein wenig deutlicher zu machen...

Wenn ich mir das anschaue, was momentan unter Begriffen wie "multimediale Infografik", "interaktives Schaubild" ... in Massen über Sender und Websites abgesondert wird, vergleiche ich das unweigerlich mit den Selbstkritischen Äußerungen der ernstzunehmenden Presse und es tut sich ein komischer Gegensatz auf. Einsereits haben die Medien erkannt, dass in diesem Golfkrieg, vielleicht wie in keinem zuvor, die Berichterstatter von den "Informationen" abhingen (und -hängen), die sie von Seiten der amerikanischen und britischen Militärs zugeschoben bekamen und bekommen. Teilweise geben sie dies offen zu und weisen darauf hin, dass viele Informationen nicht überprüfbar sind. Andere machen diesen Umstand selbst zu einem Hauptthema der Berichterstattung. Dann andererseits scheint es mir so, als will uns die Infotainmentpresse durch die Flut der Infografiken weismachen, es gäbe einen Überfluss an Fakten, den man der Komplexität wegen in anschaulichen (zoom- und klickbaren) Bildern unterbringen müsste. Am Ende hat womöglich der Leser oder Betrachter sogar das Gefühl, wirklich informiert zu sein.

Ich stelle mir vor, dass niemand die Komplettheit einer "interaktiven Karte" zum Status des Iraks wirklich hinterfragt. Warum auch? Wer will schon an einem Punkt auf einer Landkarte zweifeln, der mit '12.000 amerikanische Marines' beschriftet ist.

Niemand will daran zweifeln, denn die Karten sind nicht zum Bezweifeln gedacht. Ich glaube eher, dass sie für eine kurzlebige und sehr oberflächliche Beschäftigung mit dem Thema gedacht sind. Und bei den zahlreichen technischen Animationen zu allerlei Waffengerät, zu denen Andreas neulich einen Link geschickt hat, wird wohl vor allem dem technischen Spieltrieb, einer militärischen Überlegenheitslust und dem Willen zum Verdrängen von menschlichen Opfern gehuldigt. Verständlich, dass die spanische Presse versucht, dem Wunsch der LeserInnen nach Verdrängung der eigenen Mitverantwortung nachzukommen.

Jetzt wieder klarer. Ich bin ein verfechter der Verdeutlichung von Informationen durch mediale Mittel. In der Form, wie es während dieses Irakkriegs geschehen ist, halte ich es aber für eine Form der Desinformation und der Vertuschung von eigentlichem Unwissen. Diese aber scheint in der Gunst der Leser und Betrachter zu liegen.

Gruß vom

Marian



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