Silviu Guiman, Julius Tüting
Als „Lüster“ bezeichnet stark metallisch reflektierende Materialien mit amorphen, teilweise farbigen Lichtreflexen bis hin zu verzerrten, teilweise gefärbten Spiegelungen, beispielsweise metallische Gewebe oder Lüsterglasuren.
Die Beschreibung, egal welchen Materials, reflektiert den Betrachtenden. Selbst wenn nur technische Eigenschaften beschrieben werden, sagt dies oft mehr über den Beschreibenden als über das Material selbst aus – mag dieses auch nicht bewusst sein. Durch und mit dem Individuum ist die Betrachtung und Interpretation, also kulturell und subkulturell verortet. Spiegelnde Oberflächen, die dem Betrachtendem ein (spiegel-)verkehrtes Bild seiner selbst vor Augen führen, sind in ihrer Faszination nicht nur, aber besonders dem Narzissten das liebste Material. So verweisen sie auf die Schattenseite der Moderne, auf den Narzissmus in seiner unreflektierten Auslebung, bis in den selbstzerstörerischen Untergang (wie es die namensgebende Legende nahelegt und die Geschichte bestätigt). Der Lüster, hebt die Selbstverliebtheit der verkehrten Selbstreflexion auf, lüsternd steht der Betrachter der amorphen Spieglung gegenüber, die nicht nur ihn, sondern auch die Welt um ihn unkenntlich, als bloßen Glanz der Oberfläche reflektiert. Die scheinbare Ewigkeit der lüsternsten Materialien ist dem Gold als Urbild des Lüsters verhaftet. Billige lüsternde und spiegelnde Materialien, metallimitierende Kunststoffe und Aluminiumfolie als Verpackungsmaterial haben den kulturell beigemessenen Wert der amorphen Reflexion, des farbigen metallischen Glanzes, der von verschiedenen Kulturen gleichmaßen geschätzt wurde und mit eurozentrisch geprägten Augen auch noch belächelt wird, banalisiert und verkitscht, für Wertiges weitestgehend unbrauchbar gemacht. Das Macbook ist nur noch von mattem Glanz, das Besteck Napoleons III., ebenfalls aus Aluminium, war hochglänzend, teurer als Gold. Mag dies nun allzu pessimistisch klingen, so bietet es doch – in der Reflexion – Möglichkeiten, den Lüster zu rehabilitieren. Nicht als schönes, amorph-reflektierendes Kleinod von monetärem Wert, sondern als Sinnbild unserer Zeit, die in einem zerknüllten Stück Aluminiumfolie in der Zerrissenheit der Reflexion zu fassen sein könnte.
Querverweise: Reflexion