Immersion und virtuelle Realität

Aus phänomenologischer Sicht nehmen Bildobjekte – also die auf Bildern sichtbaren Dinge – eine Zwischenstellung ein: Sie teilen einerseits mit den Objekten der Imagination die Eigenschaft, dass sie nicht anwesend sind: Der auf einem Bild sichtbare Gegenstand ist wie ein Phantasieobjekt nicht real präsent. Doch im Unterschied zu Phantasieobjekten sind Bildobjekte andererseits wie Wahrnehmungsobjekte doch sichtbar und öffentlich. Diese Zwischenstellung ist der Grund, von einer artifiziellen Präsenz des Bildes zu sprechen. Die These des Vortrages lautet, dass sich in der technischen Entwicklung der Bildmedien nun sowohl Versuche beobachten lassen, das Bildobjekt dem Imaginationsobjekt als auch dem Wahrnehmungsobjekt phänomenal anzugleichen. Die Angleichung des Bildobjektes an das Wahrnehmungsobjekt führt zu immersiven Bildern und die Angleichung des Bildobjektes an das Imaginationsobjekt zu virtuellen Realitäten.

Lambert Wiesing

Prof. Dr. Lambert Wiesing, geboren 1963. Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie in Münster. 1989 Promotion, 1996 Habilitation in Philosophie. Von 1993 bis 1999 Vizepräsident der »Deutschen Gesellschaft für Ästhetik«. Vertretungsprofessuren für Theoretische Philosophie und Geschichte der Philosophie an den Universitäten Bamberg und Jena. Seit 2001 Professor für Bildtheorie und Phänomenologie an der Universität Jena. 2005 bis 2008 Präsident der »Deutschen Gesellschaft für Ästhetik«. 2010 Gastprofessor an der Universität Wien. 2010 bis 2016 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie der Universität Jena. 2013 Leverhulme Visiting Professor der Universität Oxford, 2015 Aby-Warburg Wissenschaftspreis.