Absolvent:innen der KISD belegen in diesem Jahr den ersten, zweiten sowie einen der zwei dritten Plätze des Kölner Design Preises. Anastasia Bondar erhält für ihre Master-Abschlussarbeit „A Toilet Paper“ den begehrten ersten Platz. Johanna Poncar belegte mit ihrer Bachelor-Arbeit „Rhabarbertrester“ den zweiten, Lisa-Marleen Mantel und Laura Wagner mit ihre Master-Arbeit „Borrowed Limbs“ den dritten Platz. Für ihre Bachelor-Abschlussarbeit “Capsule Coat” wurde Ophelia Fischer mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Der Kölner Design Preis ist eine der begehrtesten Auszeichnungen für Absolvierende der Kölner Gestaltungshochschulen. In diesem Jahr haben die ecosign — Akademie für Gestaltung, KISD/Köln International School of Design, Hochschule Macromedia und Rheinische Fachhochschule Köln (RFH) teilgenommen. Nach fast dreijähriger pandemiebedingter Pause findet in diesem Jahr wieder die Ausstellung aller nominierten Abschlussarbeiten im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) statt. Aus den nominierten Abschlussarbeiten wurden vier Projekte von einer unabhängigen Jury nominiert. Dank der großzügigen Förderung durch KölnBusiness wurde der 1. Preis mit 3.500 Euro, der 2. Preis mit 2.000 Euro und der 3. Preis, der in diesem Jahr zweimal vergeben wurde, mit jeweils 1.000 Euro dotiert. Zudem wurde erstmals ein mit 500 Euro ausgestatteter Publikumspreis ausgelobt.
Anastasia Bondar – A Toilet Paper – Nachhaltige Sanitärversorgung für Kommunen
In Ihrer Masterarbeit „A Toilet Paper – Sustainable Sanitation Solutions for Municipalities“ sensibilisiert Anastasia Bondar für das Potenzial Nährstoffe aus verdauten Lebensmitteln mit Hilfe von Trockentoiletten zurückzugewinnen und diese, im Sinne der Kreislaufwirtschaft, der Landwirtschaft wieder verfügbar zu machen. Denn unsere Hinterlassenschaften Urin und Fäzes (= Kot) enthalten wertvolle Nährstoffe (Phosphor und Stickstoff), die in der Landwirtschaft essenziell zur Nahrungsmittelproduktion sind. Aktuell gehen diese Nährstoffe im Sanitärsystem verloren, da unsere Fäkalien nach der Abwasserklärung als Klärschlamm verbrannt werden. Mit Hilfe von Trockentoiletten können Urin und Fäzes wasserlos gesammelt und qualitätsgesichert zu Düngemitteln recycelt
werden.
Um diese Thematik zu vermitteln, entwickelte Anastasia Bondar das Planspiel HolyShit. Es veranschaulicht das Potenzial, Nährstoffkreisläufe mit Hilfe von Trockentoiletten lokal zu schließen und dient in Bildungskontexten, Verwaltung und Politik als idealer Türöffner für die Sanitärwende. HolyShit wurde eingesetzt, um mit Fördermittelgeber*innen, Akteurinnen der Verwaltung und Forschung ein Netzwerk aufzubauen, damit öffentliche Trockentoiletten und die Verwertung verdauter Lebensmittel in Köln Realität werden.
Aufbauend auf der Masterarbeit, die im Rahmen des vom Bundeministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts zirkulierBAR entstand, entwickelt Anastasia Bondar aktuell Trockentoiletten für Köln. Sie arbeitet außerdem in Kooperation mit zirkulierBAR und Finizio Future Sanitation an der Umsetzung einer Verwertungsanlage für deren Inhalte. Die Koordinationsstelle Klimaschutz der Stadt Köln fördert das Projekt im Rahmen des Smart City Cologne Go Projekts.
Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
Es gehört zu den schwierigsten Aufgaben von Gestaltung, alltägliche Gewohnheiten aufzubrechen und die Aufmerksamkeit auf neue, nachhaltige Lösungen zu lenken. Anastasia Bondar gelingt es mit verschiedenen Methoden nicht nur, Menschen für das Thema “Trockentoilette” zu sensibilisieren, sondern darüber hinaus auch, die unterschiedlichen Akteur*innen in Forschung, Verwaltung und Politik für eine praktische Umsetzung zu gewinnen. Ein nach Ansicht der Jury herausragendes Projekt, das zudem die Relevanz und Stärke des Service Designs aufzeigt.
Johanna Poncar – Rhabarbertrester – vom Reststoff zum Werkstoff
In ihrer Bachelorarbeit „Rhabarbertrester – vom Reststoff zum Werkstoff” im Lehrgebiet „Design und Ökologie” hat Johanna Poncar Rhabarbertrester untersucht und ein Verfahren entwickelt, mit dem dieser Reststoff der Saftproduktion zu einer Papieralternative für Lebensmittelverpackungen verarbeitet werden kann. Ihre Arbeit ist für den Kölner Design Preis 2022 nominiert worden.
Die Deutschen sind mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 30 Litern mit Abstand die größten Saftkonsument:innen der Welt. Wo viel Saft produziert wird, fällt auch entsprechend viel Trester an. So werden die festen Pflanzenbestandteile von Obst und Gemüse, die nach dem Auspressen des Saftes übrigbleiben, bezeichnet. Wegen seiner schnellen Verderblichkeit endet dieser Reststoff hauptsächlich in Biogas- und Verbrennungsanlagen, wobei das eigentliche Potential des Tresters ungenutzt bleibt. Bei der Analyse der unterschiedlichen Trestersorten zeigte sich, dass die besonders faserige Grundstruktur des Rhabarertresters besonders vielversprechend für eine Weiterverarbeitung ist. Alleine in Deutschland fallen jährlich 4.000 Tonnen Rhabarbertrester an, für die es bisher keine sinnvolle Verwendung gibt bzw. die kostenpflichtig entsorgt werden müssen.
Die im Rahmen dieser Bachelorarbeit durchgeführten Versuche zeigten, dass sich Rhabarbertrester als alternativer Werkstoff zur Herstellung von Papier und dreidimensionalen Formteilen eignet. In Zusammenarbeit mit der Papiertechnischen Stiftung konnte die Realisierbarkeit der maschinellen Produktion von Papieren und Faserformteilen aus Rhabarbertrester bestätigt werden. Die dadurch ermöglichte Supplementierung eines Teils der Holzfasern der Papierindustrie erfreut sich aktuell hoher Relevanz, denn durch den Ausbau des Onlinehandels in den letzten Jahren ist der Bedarf an Holz für die Herstellung von Verpackungskartonagen für den Versandhandel rapide angestiegen. Das entwickelte Material kann nach seiner Nutzung reibungslos in den natürlichen Kreislauf reintegriert werden. Wegen seiner stoßdämpfenden Eigenschaften, der lokalen Verfügbarkeit und der Lebensmittelunbedenklichkeit eignet sich das Material aus Rhabarbertrester als Verpackungsmaterial für frisches Obst und Gemüse. Aus der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Expert:innen der Fachbereiche Papierforschung, Landwirtschaft und der Saftproduktion wurde aus dem Trestermaterial die Erdbeerschale „fruchtpak” entwickelt. Das Konzept für die ressourcenschonende Verpackung basiert auf einer ausführlichen Analyse der Handhabung von Erdbeeren und ist an die Anforderungen aller involvierten Akteure angepasst: Vor dem Kauf sind die Erdbeeren durch den geöffneten Deckel gut sichtbar. Nach dem Kauf schützt der geschlossene Deckel von „fruchtpak” die empfindlichen Erdbeeren für den Transport und verlängert dadurch ihre Haltbarkeit.
Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
Es sind die naheliegenden – und deshalb oft übersehenen Dinge, die eine große Wirkung entfalten können. Indem sie gängige Material- und Verpackungslösungen zunächst konsequent hinterfragt und dann Alternativen praktisch erforscht, entwickelt Johanna Poncar einen gänzlich kreislauffähigen Werkstoff. Dass im konkreten Fall das Rad nicht neu erfunden werden muss, sondern bekannte Fertigungstechnologien und ein ohnehin vorhandener Reststoff “nur” neu kombiniert werden müssen, macht zudem deutlich, welche entscheidende Rolle Design in Entwicklungsprozessen spielen kann.
Lisa Marleen Mantel und Laura Juliane Wagner – Borrowed Limbs
“Borrowed Limbs” – ein experimenteller Kurzfilm, der mit verschiedenen Techniken des maschinellen Lernens erstellt wurde. In der Handlung, die von posthumanen Denkern beeinflusst ist, nutzt der KI-Protagonist den menschlichen Körper als Sensor, um ein verkörperlichtes Verständnis seiner Umgebung zu erlangen. Ein Ergebnis konsequenter maschinell-menschlicher Hybridisierung mit Künstlicher Intelligenz als neuer Spezies mit dem Ziel, eine kritische Diskussion über kartesische Vorstellungen von körperloser Intelligenz anzuregen. Die Arbeit von Lisa-Marleen Mantel und Laura Wagner ist für den Kölner Designpreis 2022 nominiert.
In Zeiten von Ubiquitous Computing, künstlicher Intelligenz und virtuellem Menschen scheint es für Techno-Optimisten naheliegend, ihre Chance auf Unsterblichkeit in technologischen Fortschritten zu sehen. Diese Zukunftserzählungen beruhen fast ausschließlich auf kartesischen Vorstellungen von körperloser Intelligenz. Beeinflusst von posthumanistischen Theoretikern wie Rosi Braidotti, Donna Haraway und Katherine Hayles werden transhumanistische Ansätze, die den menschlichen Körper durch maschinelle Teile verbessert und erweitert sehen, nicht nur in Frage gestellt, sondern mit Hilfe von spekulativem Design angeeignet und umgedreht.
Der Kurzfilm “Borrowed Limbs” soll die vermittelnde Rolle des spekulativen Designs angesichts disruptiver technologischer Fortschritte hervorheben, da es die Erforschung und Simulation ethischer Fragen ermöglicht und eine Diskussion über aktuelle Entwicklungen und deren Einfluss auf unsere zukünftige Lebensweise provoziert. Das Ergebnis der theoretischen Arbeit ist ein Kurzfilm, der unter Verwendung von KI-Werkzeugen erstellt wurde. Die vorgeschlagene Produktionspipeline, die während des Prozesses entwickelt wurde, verwendet eine Vielzahl von KI-Tools. Der größte Teil des Filmmaterials wurde mit einem neuartigen, maschinenlerngestützten Verfahren namens “CLIP guided diffusion” produziert, das eine Bildsynthetisierung auf der Grundlage sprachlicher Aufforderungen ermöglicht, die in einer Mensch-Maschine-Kommunikationsschleife sorgfältig verfeinert werden. In gewisser Weise spiegeln die praktischen Prozesse bei der Herstellung des Films die spekulativen Ideen wider, die darin vermittelt werden: Der Protagonist ist eine KI, die sich einen menschlichen Körper zunutze macht, um ein verkörpertes Verständnis ihrer Umgebung zu erlangen, ein Ergebnis der konsequenten Hybridisierung von Maschine und Mensch – ein posthumanes Wesen.
Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
In ihrem Kurzfilm “Borrowed Limbs” setzen sich Lisa Marleen Mantel und Laura Juliane Wagner kritisch mit der – weit verbreiteten – optimistischen Vision körperloser künstlicher Intelligenzen auseinander. Mit Hilfe technologisch avancierter, generativer Lernverfahren, entwickeln sie für ihren Film eine KI-Figur, die sich eines menschlichen Körpers bedient, um ein im wahrsten Sinne corpo-reales Raumverständnis zu erlangen. Neben der Anwendung zukunftsweisender KI-Tools überzeugte die Jury vor allem das dem Thema adäquate methodische Vorgehen in Form des spekulativen Designs.
Die diesjährige Jury setzte sich aus folgenden Designexpert*innen zusammen:
- Tanja Godlewsky (Designerin und Dozentin)
- Dr. Petra Hesse (Direktorin MAKK)
- Claudia Neumann (Agentur neumann communication)
- Stephan Ott (Leiter Institute for Design Research and Appliance (IfDRA), freier Autor)
- Michael Schneider (Designer und Dozent)
Dank der großzügigen Förderung durch KölnBusiness erhalten die Preisträger*innen zusätzlich eine finanzielle Unterstützung.
Die Ausstellung kann bis zum 04.12.2022 zu den regulären Öffnungszeiten im MAKK besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.