In Kooperation mit dem Deutschen Rat für Wiederbelebung (GCR) und der Uniklinik Köln beschäftigten sich Studierende der KISD – Köln International School of Design im Sommer 2017 im Rahmen des Projekts „My Heart Stops Beating“ mit einer filmischer Gestaltung zum Thema Wiederbelebung. Ziel des Projektes war, ein oder mehrere Videos zu produzieren, welche die Sensibilität für das Thema Reanimation – und die Todesursache des “plötzlichen Herztodes“ – erhöhen.
Nach Angaben des Deutschen Rats für Wiederbelebung ist der plötzliche Herztod mit nicht erfolgreicher Wiederbelebung in Deutschland Todesursache Nr. 3. Jährlich sterben in Deutschland auf diese Weise etwa 70.000 Menschen. Ein plötzlicher Herzstillstand kann jeden treffen, zu jeder Zeit und in jedem Alter. Der Betroffene wird sofort bewusstlos und atmet nicht mehr normal oder gar nicht mehr. „Wird nach einem Herzstillstand nicht unverzüglich eine Herzdruckmassage durchgeführt, sinkt das Überleben mit jeder Minute um 10 Prozent. Die Reanimation ist einfach, jeder kann es tun. Allerdings tun es in Deutschland nur ca. 30 Prozent der Bevölkerung“, sagt GCR-Vorsitzender Prof. Dr. Böttiger. Und GCR-Projektleiterin Sabine Winger fügt hinzu: „Es gab bisher noch kein Video oder eine filmische Gestaltung, die sich diesem Thema adäquat international und mehrsprachig gewidmet hat.“
Allein: Wie macht man ein Video, das sensibilisiert, aufklärt, up-to-date ist, mit verschiedenen Genres spielt, nicht moralisiert, nicht rein medizinisch spricht, juvenil sein will und vielleicht sogar provoziert?
Zeitgemäßes Video für sensibles Thema
Im Sommersemester 2017 nahmen sich in dem achtwöchigen Projekt „My Heart Stops Beating“ die KISD-Studierenden Benedikt Schmitz, Anna-Lena Derksen, Elena Klein, Kevin Falkenreck, Kira Esser, Lisa Hedwig, Serena Nüsing unter der Kursleitung von Stefan Terlinden dieser Thematik an. „Sinn und Zweck der Kooperationsidee war es, ein zeitgemäßes Medium experimentell-forschend zu gestalten und herzustellen, das ein breites Publikum erreichen kann“, so Prof. Nina Juric vom projekt-übergeordneten KISD-Lehr- und Forschungsgebiet „Image and Motion“.
Zu Beginn des Projekts recherchierten die Teilnehmer nach unterschiedlichen themenspezifischen Formaten in Netz und Medien. Es wurden Informationen über die Problematik eines plötzlichen Herzstillstandes gesammelt und bereits vorhandene Videos zu dem Thema gesichtet, analysiert und kategorisiert. Neben Erklärvideos, die oftmals animiert und illustriert werden, kristallisierten sich szenische Filmgestaltungsformate heraus: direkt erklärende und indirekt erklärende, wobei die Entscheidung darauf fiel, mit einem indirekt erklärenden Format zu arbeiten. Ein Video, das die Problematik „plötzlicher Herztod“ behandelt, ohne genaue Erklärung über eine korrekt ausgeführte Wiederbelebung oder deren direkte Durchführung. Man lernt vom Verhalten der Schauspieler und wird auf das Thema aufmerksam gemacht anstatt Schritt für Schritt angeleitet zu werden.
„Nach der Recherche-Phase ist klar, dass dieses Projekt eine sehr gute Aufgabenstellung für Design-Studenten ist. Hier kann man sich abseits von klassischen Ideen und Vorgehensweisen bewegen und neue Ansprechmöglichkeiten für ein junges Publikum ergründen.“ berichtet Stefan Terlinden.
Wissen vs. Unwissen, Unterhaltung vs. Schadenfreude: ein Prank-Video als Format?
Neben der konzeptionellen Idee einer Online-Plattform, in der bekannte Gifs durch typographische Textbotschaften zum Thema Wiederbelebung samt deren URLs gehackt werden, entschieden die angehenden Designer und Designerinnen, sich mit dem Format sogenannter Prank-Videos auseinanderzusetzen. Ein Prank bezeichnet einen Streich unter Freunden, der verdeckt gefilmt und anschließend im Internet hochgeladen wird – ein filmisches Format aus einem Mix von „Verstehen sie Spaß?“ und „Versteckte Kamera“, das mit den Gegenpolen Wissen/Unwissen, Freude/Schadenfreude und Zustimmung/Ablehnung spielt. Pranks sind kurz und oft amateurhaft dokumentarisch gefilmt.
Die Idee der KISD-Studierenden war es, dieses Format zu erproben, um die Reaktion einer jungen Person im Falle eines simulierten Herzstillstandes zu testen. Die Studierenden entwickelten die Geschichte eines Youtubers, der seine Schwester prankt und seinen Vater als Lockvogel darin involviert, indem dieser eine Herzattacke vortäuscht. Allein: Um die Kontrolle über den Ausgang zu behalten, entschieden sich die Designstudenten dazu, die Situation vor der Kamera mit Schauspielern nachzustellen – somit nicht 100 Prozent genrerein, sondern eher achtend darauf, dass ein Prank stilistisch inszeniert wird. Was ist echt oder gefakt? Was ist Dokumentation, was Parodie, was documentary, was mockumentary?
Wie kommuniziert man „plötzlichen Herztod“?
„Ein modernes Format zu wählen, welches viele Menschen – und eben gezielt junge Menschen – anspricht, ist hier aus der Kommunikationsperspektive sehr interessant und meines Erachtens auch mutig und klug zugleich gewählt. Ein Prank zu so einem brisanten Thema birgt natürlich Risiken. Zum Beispiel, dass Menschen, die mit Pranks nicht firm sind, das Format nicht richtig verstehen. Und damit sicherlich nicht witzig finden. Dennoch wird die Aussage sehr verständlich und deutlich transportiert. Die Neuartigkeit liegt darin, ein solches ‚Holzhammer-Online-Format’ zu wählen und dieses mit dem Kommunikationspotenzial eines sensibel aufgeladenen und wichtigen Themas wie dem des plötzlichen Herzstillstandes zu kombinieren und auszuschöpfen und damit die Diskussion darüber gezielt zu platzieren. Denn Wiederbelebung ist einfach, sofern es mal angekommen ist! Und darum geht es hier“, erläutert Prof. Nina Juric die Formatwahl.
Die Holzhammer-Methode war erfolgreich: Vom 11. bis 18. Oktober wurde das Kooperationsprojekt in Design, Medizin und Medien und das Thema des plötzlichen Herztodes öffentlich gefeatured. Auf den Infoscreens der Ströer AG in deutschen U-Bahn-Stationen wurde eine breite Öffentlichkeit per Kurz-Video auf das Thema Wiederbelebung und plötzlicher Herztod aufmerksam gemacht.
Weitere Infos zum Projekt und zu den jeweiligen Videos:
Film:
Berichterstattung beim Deutschen Rat für Wiederbelebung:
https://www.grc-org.de/projekte/9-My-Heart-Stops-Beating
KISD – Köln International School of Design der TH Köln / Department Image & Motion/ Fakultät für Kulturwissenschaften, in Kooperation mit der Uniklinik Köln und dem Deutschen Rat für Wiederbelebung