Ein unterschätzter, verkannter und doch häufig genutzter Ort wird zum Zentrum einer designrelevanten Betrachtung: Der Eingangsbereich zum privaten Wohnraum als Interaktionsraum zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit.
Gegenstand dieser internationalen Untersuchung sind Übergangszonen wie Treppenhäuser und Eingangsbereiche zu privaten Wohnungen. In diesen so genannten „Transition Spaces“, gibt es eine Vielzahl an Interaktionen zwischen Menschen untereinander und zwischen Menschen und Objekten zu beobachten. Transition Space wird in diesem Kontext als Interaktionsraum verstanden.
Lassen sich kulturell bedingte Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Interaktionsräumen der verschiedenen Ländern dokumentieren und analysieren? In den vier Städten Budapest, Lissabon, Helsinki und Köln wurden entsprechende Untersuchungen und Beobachtungen vorgenommen, um eine internationale Vergleichbarkeit der Erkenntnisse zu schaffen. Diese wurden anschließend übersetzt und in einer abstrakten Darstellungsform den Besuchern im Rahmen einer Ausstellung zugänglich gemacht.
Beobachtung und Analyse
Unter dem Aspekt der Mensch-Mensch- und der Mensch-Objekt-Beziehung des Transition Space in vier kulturell divergenten Ländern, wurden vor Antritt der Reisen Beobachtungskriterien festgelegt. Diese waren unter anderem: Art, Anzahl und Nutzung der vorhandenen Objekte sowie deren Beziehung zur Umgebung. Zudem wurde die Interaktion von Menschen betrachtet: wie interagieren sie miteinander oder mit den vorhandenen Objekten? Mit welcher Absicht treffen sich die Menschen im Transition Space und wird dieser bewusst genutzt? Anhand dieser Fragestellungen wurden die Beobachtungen vergleichbar, erfahrbar und verständlich gemacht. Die Untersuchungen wurden fotodokumentarisch festgehalten. Zusätzlich wurden Interviews mit Einwohnern des jeweiligen Landes geführt, um Einblick in kulturelle und individuelle Zusammenhänge des Transition Spaces zu erhalten. Dabei konnte der oft sehr persönliche Transition Space beobachtet und festgehalten werden.
Um den Städten Budapest, Lissabon, Helsinki und Köln in ihrer sozialen Vielfältigkeit und als divergentes Stadtbild gerecht zu werden, wurde darauf Wert gelegt, sozial, infrastrukturell und demographisch unterschiedliche Viertel in die Untersuchung einzubeziehen. Dadurch konnte ein facettenreiches Bild der Transition Spaces dokumentiert werden.
Erkenntnisse und Übersetzung
Das Bild- und Filmmaterial sowie persönliche Eindrücke wurden zusammengestellt und kategorisiert. Die Übersetzung der gewonnen Erkenntnisse fand in Form einer über alle Sinne erfahrbaren Ausstellung statt. Ein langer Flur teilte sich in die Bereiche Budapest, Lissabon, Helsinki und Köln auf. Zusätzlich wurden die Erkenntnisse mittels Icons dargestellt, welche die drei aufeinanderfolgenden Zonen „öffentlicher Raum“, „Transition Space“ und „privater Raum“ verbildlichen. Diese verdeutlichten die Unterschiede der Übergangszonen zwischen dem öffentlichen und privaten Raum der unterschiedlichen Länder.
Der Transition Space in Budapest ist im Verhältnis zu den anderen Ländern am größten. Hier finden sich große Innenhöfe in Gebäudekomplexen, in welchen rund 100 Leute wohnen. Der gemeinsame Raum wird aktiv von einer Vielzahl an Bewohnern genutzt, wodurch eine verhältnismäßig starke Kommunikation entsteht. Das Icon verdeutlicht den großen Bereich des Transition Space, innerhalb welchem sich die Bereiche des öffentlichen und des privaten Raums vermischen.
Am Anfang der Ausstellung durchquerte der Besucher ein Labyrinth aus wie zufällig angeordneten Möbelstücken und Pflanzen und fand sich in Budapest wieder. Persönliche Gegenstände wurden häufig in Zwischenbereichen, wie Flure und Eingangshallen platziert – nicht öffentlich, aber zugänglich für andere Hausbewohner und Besucher. Der weitläufige aber mit Hindernissen bestückte Raum spiegelt die vor Ort erlebte Situation: weite Hallen, viele Zwischentüren, begrünte Innenhöfen versehen mit persönlichen Objekten. Die dunkle Atmosphäre wurde durch auf Möbel projizierte Filme gebrochen, welche über Bild und Ton die Stimmung des Budapest Transition Space verstärkte.
In Lissabon stellte sich der Transition Space als kaum vorhanden heraus: kleine Eingangstüren ermöglichten direkte Einblicke in Wohnzimmer und Küchen; persönliche Gespräche und Geräusche waren von außen zu verfolgen; trocknende Wäsche, persönliche Dekoration und Sitzgelegenheiten für Be- und Anwohner wurden vor der Tür platziert. Das Private wird stark nach außen getragen. Das Icon zeigt den Transition Space als einen sehr schmalen Streifen und verdeutlicht, dass es kaum einen verorteten Übergangsbereich zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum gibt. Eine starke Vermischung derer wird anhand eines gestrichelten Übergangs dargestellt.
In der Ausstellung führte eine Verengung des Flures den Besucher von Budapest in den Transition Space von Lissabon. Der Besucher erlebte die nach außen getragene Privatsphäre, indem er sich durch angefeuchtete Bett- und Reizwäsche schlängeln musste. Eine Audio-Inszenierung über Kopfhörer gewährte Einblicke in die Intimsphäre eines portugiesischen Hausbewohners: klirrende Küchengeräusche, lautstarke Bettszenen und Vater’s Lieblings-TV-Show. Die Intimität und Gemütlichkeit von Lissabon wurde durch Kerzenschein, die Enge des Flures und durch die Stauung mehrerer Leute in direkter Nähe zueinander vermittelt.
Der Transition Space in Helsinki unterscheidet sich von den anderen am stärksten. Weder wird dieser zur Kommunikation noch zur individuellen Gestaltung genutzt. Er dient lediglich als direkter und nüchterner Zugang von der privaten Wohnung zur Straße und andersherum. Das Icon zeigt folgerichtig keinerlei Überschneidung des öffentlichen und des privaten Raums. Trotz der geringen Interaktion ist der Transition Space als solcher aber relativ groß.
In der Ausstellung traten die Besucher einzeln durch einen Vorhang am Ende des verengten Flures von Lissabon in den Transition Space von Helsinki – eine zunächst dunkle und nüchterne aber übertrieben beheizte Halle. Nach dem Eintritt wurde dem Besucher von einem finnischen Anwohner – dem selbsternannten Türsteher – aus Hygienegründen ein Paar Schuhüberzieher gereicht. Damit ausgestattet durchquerte der Besucher den leeren Raum, den er sich vorher selbst mittels einer Leuchtstoffröhre erhellen konnte. Erfahrungen vor Ort in Helsinki wurden übersetzt in: kaum Interaktion außer gelegentliche gegenseitige Ermahnungen, isolierte Atmosphäre und Hauptsache beheizt!
In Köln zeigt sich der Wille der Hausbewohner, den Transition Space privat zu nutzen und ein hohes Maß an Kommunikation zu praktizieren. Objekte werden vor den Wohnungstüren platziert, um den Space zu individualisieren und darüber zu kommunizieren. Allerdings kommt es hier immer wieder zu Interessenskonflikten zwischen Bewohnern und Vermietern, was zu einer ständigen Bewegung der Objekte im Transition Space führt. Das Icon zeigt in Köln einen gleich großen Transition Space auf wie in Helsinki, allerdings mit einer Überschneidung des öffentlichen und privaten Raums. Die als Pfeil dargestellten Linien zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit sind als Vor- und Rückwärtsbewegung der Eroberung des Spaces zu verstehen.
Der Übergang von Helsinki in den Ausstellungsraum des Kölner Transition Space stellte einen besonders großen Bruch dar. Der Besucher betrat den Bereich über eine Fußmatte mit Aufdruck „Schön dat de do bess, schaad dat de jon muss“ und wurde von einem Wirbelsturm aus bunten Papierfetzen empfangen. Eine Windmaschine symbolisierte den Gegenwind der Kölner Bewohner zur Rückgewinnung des Transition Space. Gleichzeitig katapultierte sie die häufig in Hausfluren auftürmenden Angebotsflyer und Telefonbücher in Form kleiner Schnipsel durch die Luft, was den Besucher zur direkten Interaktion mit seiner Umgebung und mit anderen Besuchern animierte und für eine kommunikative und spaßige Stimmung sorgte – eine Kölner Besonderheit.
Das interaktive Ausstellungskonzept machte die Mensch-Mensch und Mensch-Objekt- Interaktion in Transition Spaces am Beispiel von vier europäischen Großstädten erfahrbar. Jeder Bereich übermittelte eine eigene Atmosphäre und ließ den Besucher das Raumempfinden durch eine Kombination aus Objekten, Film- und Audiomaterial, Lichtinstallation, Temperaturvariation, Engen und Weiten nachempfinden. Die Ausstellung wurde von vielen Besuchern als spannend und stimmungsvoll inszeniert empfunden und es gab genügend Raum verschiedene Aspekte der Spaces individuell zu interpretieren.