Diese und andere Fragestellungen waren der Ausgangspunkt für das zweiwöchige Projekt „Talk To Me – form follows mood“ an der Köln International School of Design. Ziel war es, anhand einfacher Prototypen (= Miniaturen) auf Basis der open-source Plattformen Arduino und Processing mögliche Kommunikationsformen zwischen Mensch und Objekt im Experiment erfahrbar zu machen. Einzige Bedingung war, dass die Objekte sich ausschließlich über Bewegung und Verformung dem Benutzer mitteilen können.

Verstehen wir Interaktion als eine Form von Dialog, so ist ein Verständnis über das Befinden unseres Gegenüber, also die Empathie immer wichtig für ein gutes „Gespräch“. Wenn wir nun aber immaterielle Systemzustände digitaler Systeme betrachten, so sind diese sehr abstrakt und für den Menschen meist unverständlich. Es braucht also immer eine Form der Dekodierung und Materialisierung, um relevante Informationen über ein verständliches Feedback dem User mitzuteilen.

Bisher findet diese Rückmeldung vor allem in Form von Zeichen auf kleinen oder großen Displays statt. Wenn wir einen Blick in die Natur werfen, so war hier Bewegung, Gestik und Ausdruck immer schon ein wichtiger Indikator für den Seelenzustand unseres Kommunikationspartners. So nehmen wir den Buckel und die sträubenden Haare einer Katze sofort als Zeichen von Abwehr wahr. Wenn wir nun bereits Bekanntes aus der Natur als Vorbild nehmen, dürfen wir aber nicht Fehler machen, diese Prozesse direkt zu imitieren. Vielmehr geht es darum, geistreiche Transformationsprozesse zu gestalten, relevante Grundprinzipien aufgreifen und diese sinnvoll in einem neuen Kontext einzusetzen.

Die Resultate des Projektes „Talk to Me“ erscheinen auf den ersten Blick recht abstrakt, allerdings wird hier auch ein Interpretationsspielraum geschaffen, der Perspektiven für mögliche praktische Anwendungen aufzeigt. Und es ist gerade das offene Experiment, welches die Hochschule als Ort der Forschung auszeichnet. Was würde es zum Beispiel bedeuten, wenn mein Mobiltelefon im wahrsten Sinne des Wortes „Gänsehaut“ bekommt, wenn eine Nachricht von meiner Liebsten oder meinem Liebsten eintrifft. Das Projekte „.fluid“ beschäftigt sich mit der Veränderung des Aggregatszustandes einer Flüssigkeit hin zu einer einem Festkörper, der über unterschiedliche Verformungen Träger verschiedener Informationen werden kann. Die aktuelle Forschung im Verhalten formveränderbarer Materialien zeigt, dass diese Vision sehr bald Wirklichkeit werden könnte.

Auch stellt sich die Frage, ob die bisherigen Metaphern der Bedienung von Knöpfen und Schaltern bis zu den heutigen Multitouch Systemen unserem Wunsch eines intuitiven Umgangs mit Alltagsgegenständen entsprechen. So begegnen wir in der Arbeit „@><#!!! – the life of an overtaxed surface“ einer Folie, die über Seilzüge und Motoren ihre Form verändern kann. Versucht der Betrachter die Folie mit seinen Fingern zu berühren, verlässt diese ihren statischen Urzustand und zieht sich zusammen. Agiert der Benutzer zu hektisch mit dem Objekt, wird die Verformung der Fläche zum Ausdruck der Überforderung und gelangt an einen Punkt, an dem jegliche weitere Interaktion verweigert wird. Ein spielerisches Ausloten des Handlungsraumes ist die Folge. Interessant ist hierbei, dass der Betrachter mit dem zuerst leblosen Gegenstand eine emotionale Bindung eingeht und über die Zeit immer behutsamer mit diesem agiert.

Bei „I’m running out of time“ versucht uns eine Pflanze mitzuteilen, dass es wieder an der Zeit ist sie zu gießen. Dies geschieht aber nicht über eine Textnachricht oder Sprachausgabe, sondern über kurze ruckartige Bewegungen. Wird der Wunsch der Pflanze nicht erfüllt, wird diese Bewegung immer stärker, bis wir uns der Aufmerksamkeit ihrer kaum mehr entziehen können und der Aufforderung nachkommen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Gestaltung von Erinnerungsmitteilungen nicht immer nur auf Textnachrichten oder Signaltöne beschränkt sein muss.

Eine weitere wichtige Fragestellung ist, wie wir abstrakte Daten, zum Beispiel Nachrichten bestimmter Webservices für den Betrachter sichtbar und somit auch erlebbar machen können. Die Arbeit „Material Tweet“ durchsucht bis zu 350 Milliarden Twitter Nachrichten in Echtzeit nach den Begriffen „Krieg“ und „Frieden“. Die Ergebnisse werden in die Bewegung einer Mechanik zur Aktivieren von Sprühlack-Dosen übersetzt – die Farbe Blau steht hierbei für „Frieden“ und Rot für „Krieg“. Ziel ist es mit Hilfe von 800ml Sprühlack eine digitale Wortwolke zu materialisieren und das Stimmungsbild in einer abstrakten Infografik wiederzugeben. Dieser spielerische Ansatz konserviert auch die sonst in der Wahrnehmung schnell vergänglichen Neuigkeiten.

Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen auf, welche neuen Formen der zukünftigen Kommunikation von System und Mensch möglich sind. Wir müssen Bewegung als zusätzliches Kommunikationsmittel begreifen und lernen, die neuen Technologien in sinnvolle Szenarien und Produkte einzubetten. Seit jeher haben wir eine Beziehung zu den Dingen, die uns umgeben, wobei der funktionale Nutzen oft auch um eine emotionale Ebene erweitert wird. Dies bedeutet, dass Emotion aber auch immer Funktion bedeuten kann.

Projekte (Auswahl):

.fluid – a reactive surface

Hannes Jung

@><#!!! – the life of an overtaxed surface

Till Maria Jürgens
Vitus Schuhwerk
Vera Hausmann

I’m running out of time

Julian Güttge

Get out of my sun!

Johannes Eisbrenner

Material Tweet

Lukas Höh, Klangfiguren