Am 17. Januar 2020 lädt die Forschungsstelle »Echtzeitstadt« der TH Köln zur interdisziplinären Tagung »Die unsichtbare Stadt« ein. Aus verschiedenen Perspektiven gehen Gestalter:innen und Forscher:innen der Frage nach, wie die ökonomische Globalisierung Stadt und Gesellschaft umstrukturiert, und welche Möglichkeiten und Grenzen informelle Aneignungen urbaner Räume eröffnen. In der Gegenüberstellung von »sichtbarer« und »unsichtbarer« Stadt möchte die Tagung vor allem die übersehenen und unterschätzten Stadtproduktionen näher fokussieren.
Weltweit werden Städte im Zuge der Globalisierung an die Anforderungen der Märkte angepasst. Ihre Umwandlung zu globalen Finanz- und Konsumzentren hinterlassen deutliche Spuren im Stadtbild. Primär renditeorientierte Bauten dominieren die städtische Architektur, lenken die Aufmerksamkeit auf sich und beanspruchen Deutungshoheit. Sie erschweren gesellschaftlichen Gruppen den Zugang und verdrängen soziale Infrastrukturen. Durch sie werden vermarktbare Stadtbilder erzeugt, die in einem medialen Bildkreislauf – einer »Industrie des Sichtbaren« – erfolgreich zirkulieren. Auch öffentliche Räume werden in »sichtbare«, exklusive und homogene Räume einer überwachten Konsumgesellschaft verwandelt. Die Umstrukturierung der Stadt mündet in einer Art Überlastung: Es ist ein Zuviel an Spekulation, an Marketing, an Kommunikation und an Verkehr, welches das städtische Leben beeinträchtigt. Die Stadt erweist sich als ein System, das mehr und mehr an seine Grenzen gerät.
In der »sichtbaren« Stadt lassen sich aber immer noch Räume finden, die verdeckt sind, übersehen werden oder sich bewusst dem Blick entziehen. Sie werden vorzugsweise von engagierten Initiativen und informellen Gruppen aufgesucht und temporär gestaltet. Diesen Aktivitäten liegt eine Auffassung von Stadt zugrunde, die über die sichtbaren, objekt- und bildhaften Eigenschaften der Architektur hinausweist. In den Mittelpunkt rückt vielmehr die Stadt als performativer Raum, in dem verschiedene Mitspieler:innen agieren und sich differente Situationen entfalten. Es sind diese eigeninitiierten, selbstorganisierten und spielerischen Stadtnutzungen, in denen sich Gegenbewegungen und Widerstände zum globalen Umbau der Städte äußern. In ihnen artikuliert sich der Wunsch nach einem gesellschaftlichen Anrecht auf jene urbanen Qualitäten, die in der Begegnung, im Austausch und in einem kollektiv gestalteten und genutzten städtischen Raum liegen.
Sind solche informellen Aktivitäten heute allenfalls Impulsgeberinnen in städtischen Aufwertungsprozessen, könnten sie schon bald im Zuge eines ökologischen und technologischen Strukturwandels zum zentralen Moment einer zukünftigen Stadtproduktion werden. In Städten, die in den 1960er Jahren dem Leitbild der »autogerechten« Stadt folgten, könnten durch Umstrukturierung und Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs Freiräume entstehen, die von der Stadtgesellschaft neu zu nutzen wären. Die Frage »Wie wollen wir künftig in Städten leben?« dürfte dann drängender denn je werden.
Es zeigt sich, dass städtische Aktivitäten zivilgesellschaftlicher und kultureller Gruppen für Politik und Institutionen nach wie vor eine große Herausforderung darstellen. Was fehlt, sind systematische Verknüpfungen zwischen der formellen und informellen Sphäre. Lässt sich also eine Stadtplanung entwickeln, die sich strategisch für die Potenziale des Informellen und vermeintlich Unsichtbaren öffnet? Wie können urbane Konzepte, Experimente und Aktionen von lokalen Initiativen für die formelle Stadtentwicklung erschlossen werden? Kann eine spielerisch-zufällige Aneignung städtischer Räume in einen kollektiven Planungsprozess überführt werden? Können im Verlauf solcher Prozesse Potenziale für alternative Gebrauchsweisen des Raumes und eine (Wieder-)Ermöglichung sozialer Lebensweisen freigesetzt werden? Und welche Chancen ergeben sich für die Vorstellung und Entwicklung von Stadt, wenn Design und Architektur nicht länger als Ergebnisse kontrollierter, formalisierter und ausschließlich marktorientierter Planungen verstanden werden, sondern als kommunikative und räumliche Prozesse, die Konflikte produktiv werden lassen? Wenn Gestaltung eine Auseinandersetzung darüber anstößt, in welchen Räumen sich die Stadtgesellschaft treffen möchte, was für sie »privat« und was »öffentlich« bedeutet, und wie die Räume hierfür aussehen könnten?
Fachübergreifend diskutieren Forscher:innen aus den Kultur- und Sozialwissenschaften sowie Design und Architektur darüber, wie Gestaltung zu einem Experimentierfeld für die Entwicklung einer vielfältig deutbaren und programmoffenen Stadt werden kann, und wie Design und Architektur als kritische Raumpraxis verstanden und etabliert werden können.
Zeit
Freitag, 17. Januar 2020, 09.30 – 17.00 Uhr
Ort
Alte Feuerwache Köln – Soziokulturelles Zentrum in Selbstverwaltung, Melchiorstr. 3, 50670 Köln
Ausstellungen | PASSAGEN 2020
Begleitend zur KISDconference »Die unsichtbare Stadt« werden die Ausstellungen »Gleisland« am Alten Güterbahnhof in Ehrenfeld und »Straßenland« am Ebertplatz in der Neustadt-Nord präsentiert. An beiden Orten stellen sich paradigmatisch die Fragen nach dem »Recht auf Stadt«, nach dem Umgang mit innerstädtischen Infrastrukturbrachen bei gleichzeitig steigendem Wohnraumbedarf und nach der Eigentümerschaft an Stadtraum. Zu den PASSAGEN 2020 öffnet die Forschungsstelle »Echtzeitstadt« der TH Köln ihre temporären Stadtlabore an diesen Orten und reflektiert mit den Ausstellungen die Stadt als kollektiven Infrastrukturraum.
Konferenz und Ausstellungen finden im Rahmen der Forschungskooperation zwischen der Stadt Köln (Dezernat Stadtentwicklung, Planen und Bauen) und der TH Köln (Designtheorie und -forschung, Prof. Dr. Carolin Höfler) statt.
Organisation
Prof. Dr. Carolin Höfler & Mario Frank mit Julian Hoffmann und Studierenden der KISD
Grafik: Jennifer Zachlod & Lars Köppl
Programm
Freitag, 17. Januar 2020, 09.30 – 17.00 Uhr
Alle Präsentationen werden in deutscher Sprache gehalten.ab 8.30 Uhr | Ankommen |
09.30 Uhr |
Carolin Höfler, TH Köln: Begrüßung |
09.45 Uhr | Harald Trapp, TU Wien / University American College Skopje Gig-City |
10.30 Uhr | Stephan Willinger, BBSR, Bonn Über den Informellen Urbanismus hinaus: Lernen von der unsichtbaren Stadt |
11.15 Uhr | Kaffeepause |
11.30 Uhr | Lukasz Lendzinski & Peter Weigand, studio umschichten, Stuttgart Was kommt nach fertig? |
12.15 Uhr | Mittagspause mit Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung »Straßenland« in der Ebertplatz Passage |
13.30 Uhr | Andrea Hofmann, raumlaborberlin Stadt als Handlungsraum |
14.15 Uhr | Fernando Abellanas, Valencia Ciudad como espacio de juego [wird live ins Deutsche übersetzt] |
15.00 Uhr | Kaffeepause |
15.15 Uhr | Flavia Mameli, Berlin / Universität Kassel Wem gehört das Gleisdreieck? Über einen Berliner Park und das Konzept der Aneignung in der urbanen Raumproduktion |
16.00 Uhr | Klaus Neuburg, FROH! e.V., Köln / Hochschule Hamm-Lippstadt Die Stadt als Archiv des Wandels |
17.00 Uhr | Ende |
Details
Date 17. January 2020
Time 9:30 am - 5:00 pm
Finished