Am äußersten Zipfel Nordostsibiriens – rund 900 km westlich der Beringstraße, die den asiatischen Kontinent von Alaska trennt – liegt der Elgygytgynsee, der Weiße See, wie die Tschuktschen ihn nennen. Er bildete sich durch einen Meteoriteneinschlag vor ca. 3,6 Mio. Jahren und gilt als einzigartiges Klimaarchiv der Arktis, das darüber Aufschluss geben kann, warum und wie es vor 2 bis 3 Mio. Jahren zu einer massiven Klimaabkühlung kam. Internationale Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen haben dort in den vergangenen Monaten die arktische Klimageschichte erforscht und die Entstehungsgeschichte des Sees rekonstruiert.
Ziel des mittelfristigen Projekts an der KISD war es, dieses spannende Forschungsvorhaben dreidimensional zu visualisieren und anhand einer in Google Earth verorteten 3D-Anwendung interessierten Nutzern zugänglich zu machen.
Im Rahmen einer 7-wöchigen Projektarbeit entwickelten Design-Studenten der Köln International School of Design (KISD) eine in Google Earth verortete 3D-Anwendung zu den Tiefbohrungen am Elgygytgynsee in der sibirischen Arktis. Um die Arbeit der Geologen und die Situation vor Ort möglichst umfassend darzustellen, nutzten die Studenten neben den verschiedenen ”klassischen” Medien auch eigenproduzierte, professionelle Animationsvideos, die verdeutlichen, wie ein Meteoriteneinschlag aussehen kann oder wie Seesedimente erbohrt werden. Das Herausragende an der studentischen Arbeit ist jedoch: mit dem Start der Anwendung kann die wenig benutzerfreundliche Menüführung von Google Earth ausgeschaltet werden – und der Betrachter sich voll und ganz auf das Klimaforschungsprojekt einlassen.
Das internationale Klimaforschungsprogramm El’gygytgyn Drilling Project wird auf deutscher Seite von dem Kölner Geologen Martin Melles geleitet. Was sind die Dimensionen dieses Projekts und wie können sie der Allgemeinheit verdeutlicht werden? Der Elgygytgynsee, dessen Sedimente die arktische Klimageschichte der vergangenen 3,6 Mio. Jahre enthüllen, liegt ”am äußersten Zipfel Nordost-Sibiriens”. Er birgt das ”am weitesten zurück reichende Klimaarchiv der terrestrischen Arktis”, das von 56 Wissenschaftlern aus 21 Forschungsinstituten untersucht wird. Für Klimaforscher wie Martin Melles kein Problem – er hat schon vor 13 Jahren die Tragweite dieses Unternehmens und die damit in Verbindung stehenden Herausforderungen erkannt, hat die großen Förderinstitutionen überzeugt, Vorträge gehalten, publiziert. Aber er möchte mehr.
Bereits Ende vergangenen Jahres nahmen die Kölner Klimaforscher Kontakt zu Michael Eichhorn an der KISD auf und konnten den Dozenten für 3D-Gestaltung für das spektakuläre Bohrprojekt begeistern. Zusammen mit Richard Jungkunz, Dozent für Digitale Medien und Telekooperation, arbeitete er an der eingangs gestellten Frage und fand eine Möglichkeit: eine 3D-Anwendung, gestartet in einer Software, die dem Nutzer einen virtuellen Blick auf die Erde erlaubt, könne die Dimensionen verdeutlichen. ”Damit lässt sich der Elgygytgyn-Krater in den Mittelpunkt der Erde rücken. Die Satelliten-Perspektive zeigt die gewaltigen Entfernungen auch der Forschungspartner zueinander. Und es ist möglich, sich in den Krater hineinzuzoomen.”, so Eichhorn.
Sieben Nachwuchsdesigner verschiedener Semester und Disziplinen interessierten sich für das von den beiden angebotene Projekt. Nach einer eindrücklichen Themeneinführung durch Martin Melles entwickelten sie ein ambitioniertes Konzept für eine Google Earth-Anwendung, die auch ein Novum beinhalten sollte: die Programmierung einer eigenen, nutzerfreundlichen Menüstruktur. Wie die Präsentation ihrer Arbeit am Kölner Institut für Geologie und Mineralogie zeigte, ist ihnen das uneingeschränkt gelungen. Martin Melles ist beeindruckt: ”Ich hätte nicht gedacht, dass die Studenten innerhalb dieses kurzen Zeitraums ein derartiges Ergebnis erzielen. Sie haben großartig gearbeitet, man sieht, dass sie rund um die Uhr engagiert waren.”
Die KISD-Studenten haben sowohl das Camp als auch die Bohrplattform der Wissenschaftler in 3D nachmodelliert, dem Nutzer werden Texte, Bildergalerien und Filmmaterial, aber auch die eigens erstellten Animationen als Informationsmedium angeboten. ”Genial!”, so der Geologe Volker Wennrich beim Betrachten der Animation zum Bohrablauf. ”Endlich eine Darstellung, die jeder versteht – und die zugleich zeigt, dass das Erbohren der Seesedimente am Elgygytgynsee alles andere als trivial war: immerhin haben wir hier eine Wassertiefe von 170 Metern.”
Das El’gygytgyn Drilling Project wird durch die Förderung vom ICDP, BMBF, NSF, RAS, dem BMWF sowie den Helmholtz-Zentren Alfred-Wegener-Institut und GeoForschungsZentrum ermöglicht.
Die 3D-Anwendung zum Lake El’gygytgyn kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: www.elgygytgyn.uni-koeln.de/3d.html. Für die Anwendung wird die Software Google Earth benötigt, die kostenlos von den Internetseiten des Anbieters heruntergeladen werden kann. Danach die KMZ-Datei (ca. 25 MB) in Google Earth einladen, die Seitenleiste kann ausgeschaltet werden.