In seiner Arbeit »Algorithmic Turn« untersucht Sten Rüdrich die gesellschaftspolitischen Auswirkungen des maschinellen ›Sehens‹. Durch KI-Systeme, die den Zugriff auf private Datensammlungen ermöglichen, wird nicht nur staatliche Kontrolle in einem bisher unbekannten Maße ausgeweitet, sondern auch eine neue Form des »Überwachungskapitalismus« etabliert. Um den neuen Methoden der Bildauswertung nachzugehen, setzt sich der Verfasser mit intelligenten Bilderkennungssystemen und ihren aktiven Eingriffen im Alltag auseinander. Dabei entwickelt er eine ethische Position im gesellschaftlichen Umgang mit Künstlicher Intelligenz.

Die Mehrzahl der heute weltweit entstehenden Bilder wird von Maschinen für andere Maschinen angefertigt, ohne dass diese Bilder noch von Menschen betrachtet werden. Technologien des maschinellen Sehens bilden die Grundlage für automatisierte Handlungen und sind integrale Bestandteile technischer Infrastrukturen, mit denen Konsumgüter beworben, Fahrzeuge gesteuert, Straßen überwacht oder Drohnenangriffe gestartet werden. Sie dienen als Instrumente zur Durchsetzung von ökonomischer und politischer Macht. Diese ›Sehmaschinen‹ sind durch ihre Verbindung mit riesigen Datensammlungen von Milliarden von Menschen nicht nur in der Lage, staatliche Kontrolle auszuweiten, sie sind auch zu Werkzeugen für einen neuen »Überwachungskapitalismus« (Shoshana Zuboff) geworden. Dieses sich stetig ausdifferenzierende, feinmaschige Netzwerk der Überwachung durch Staaten und globale Unternehmen lässt sich nur erschließen, wenn man die intelligenten Bilderkennungssysteme und ihre aktiven Eingriffe in den Alltag nachvollzieht.

Eine solche Auseinandersetzung unternimmt die Thesis Algorithmic Turn – Unsichtbare Bilder algorithmischer Überwachung von Sten Rüdrich. Ausgehend von einer intensiven Beschäftigung mit technischen Aspekten sowie sozialen und politischen Implikationen von ›künstlicher Intelligenz‹ und ›maschinellem Sehen‹ entwickelt er eine kritische Perspektive auf die visuellen Kultur von Überwachung und Kontrolle.

Die theoretische Arbeit bildet die Grundlage für eine eigene fotografische Reflexion ›intelligenter‹ Sehmaschinen. Die daraus hervorgegangene Fotografie-Serie überführt die gewonnenen Erkenntnisse in eine visuelle Praktik, mithilfe derer die Funktionsweisen von Bilderkennungssystemen und maschinensprachlichen Markierungen freigelegt werden.

Nominiert für den Kölner Design Preis 2018

Veröffentlicht in KISDedition, 2022