Die Intermediate-Arbeit von Lili Neuhauser im Lehrgebiet »Designtheorie und -forschung« geht der Frage nach, wie sich das Reisen und die Darstellung von Reisen durch die digital vernetzte Fotokultur im 21. Jahrhundert verändert haben.
Fotografieren mit dem Smartphone ist zu einer integralen Praktik des Reisens geworden, wobei der bereiste Ort vor allem durch das Display erfahren wird. Die visuellen Produkte sind hierbei umgehend verfügbar. Sie dienen in erster Linie der Kommunikation in den sozialen Netzwerken. Mobile WLAN-Hotspots sorgen dafür, dass die aufgenommenen Bilder jederzeit verbreitet werden können. Da ein Smartphone zugleich eine Kamera, ein Speichermedium, eine Bildbearbeitungssoftware und eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellt, wird das Teilen der Bilder zu einem zentralen Bestandteil des Fotografierens.
Smartphone-Fotografie gewährt einem Online-Publikum gezielt Einblicke in die unternommene Reise. Reisebilder in sozialen Netzwerken zeigen gewöhnlich inszenierte Augenblicke ohne Kontext, wobei die Thematisierung des Selbst oder der Reisebegleiter:innen im Vordergrund steht. Die jeweilige Reiseumgebung wird in diesem Prozess immer selektiver wahrgenommen: der fotografische Blick konzentriert sich auf das vermeintlich Fotogene und Teilenswerte. Die Bilder entstehen immer schon im Hinblick auf die potenziellen Betrachter:innen in den sozialen Netzwerken. Hierdurch geraten Reisen und Fotografieren zu ritualisierten Handlungen, die darauf abzielen, ein idealisiertes Selbst in erstrebenswerter Umgebung sowie erwünschte Momente mit und ohne Reisepartner:innen darzustellen. Diese Form der Selbstrepräsentation wird durch die Auswahl des fotografischen Anlasses, des kulissenhaften Hintergrunds sowie der Stilmittel und Posen verstärkt.
In einer begleitenden Fotoarbeit lenkt Lili Neuhauser den Blick von der digitalen Produktion der Reisefotografien zur physischen Performance der Bildproduzent:innen. Sie fängt die Interaktionen zwischen Fotograf:innen und Fotografierten vor touristischen Kulissen in eigenen Bildern ein. Sie fragt nach den visuellen und räumlichen Strategien, mit denen sich die Akteur:innen gegenseitig in Szene setzen; sie fragt danach, wie sie sich verhalten, welche Körperhaltungen sie einnehmen, welche Charaktere sie spielen und welche Bedeutungen sie der Umgebung zuweisen Die Arbeit stellt den Versuch dar, die zum Teil bizarren Handlungen und Gesten, die zur Entstehung der geteilten Reisefotografie führen, sichtbar zu machen und zu systematisieren.
Bilder: Lili Neuhauser, 2022