Was kann die Zivilgesellschaft tun, wenn sie in einem Wirtschaftsexperiment gefangen ist? Benjamin Bräuer und Kjell Wistoff richten den Blick auf die politischen Proteste in Chile in den Jahren 2019/2020 und erforschen die digitalen und urbanen Praktiken kollektiver Gegenwehr. Ihr Protestlabor am Ebertplatz war vom 16. bis 25. Juni 2022 geöffnet.

»Chile Despertó« (»Chile ist aufgewacht«) lautet einer der zentralen Protestrufe, der sich gegen die neoliberale Politik der letzten 30 Jahre richtet. Hinter den aufflammenden Protesten im Jahr 2019 verbirgt sich mehr als nur eine Fahrpreiserhöhung: Bei näherer Untersuchung wird klar, dass sich die Wut der Bevölkerung gegen die aus der Pinochet-Diktatur stammende Verfassung wendet, welche die sozialen Missstände im Land herbeiführte.

Die gleichnamige Ausstellung am Ebertplatz widmet sich den unterschiedlichen Aktionsformen dieses Protests und setzt sich sowohl mit der Kommunikation als auch mit dem körperhaften Einsatz und der Verwandlung der Straße in einen performativen Raum auseinander. Mithilfe von Open-Source-Recherchen und offenen Interviews sowie unter Einsatz audiovisueller Methoden der Designforschung werden die Proteststrategien und -formate der »Primera Línea« nachgezeichnet – jener Aktivist:innen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Demonstrationen zu schützen und zivilen Ungehorsam gegen polizeiliche Interventionen zu üben. Inwiefern schaffen ihre hybriden Räume des Protests neue Möglichkeiten für das Entstehen von Öffentlichkeiten? Welche Rolle spielen hierbei die online zirkulierenden Bilder ihrer Protestchoreografien im Straßenraum?

In dem von Justus Schomann kuratierten Protestlabor am Ebertplatz wird die Transformation des öffentlichen Raums in ein politisches Commons sichtbar gemacht. Das Projekt arbeitet mit investigativen Praktiken, wobei das auszuwertende Material durch die Zusammenführung anonymer Videodaten und Augenzeugenberichten erst produziert und dann in Diagrammen und experimentellen Karten übersetzt wird. Hier drängt sich die Frage auf, welche anderen, gegenhegemonialen Perspektiven sich durch zeichnerische Analysen von Open-Source-Material gewinnen lassen.

Arbeiten von Benjamin Bräuer und Kjell Wistoff
Fotografien von Maximilian Beck und Benjamin Bräuer
Kuratiert von Justus Schomann mit Unterstützung von Raphael Klug
Organisiert von Prof. Dr. Carolin Höfler mit Mario Frank und Julian Hoffmann

Ort: Projektraum Gemeinde Köln, Ebertplatzpassage, Laden 7, 50668 Köln
Vernissage: Do., 16. Juni 2022, 18.00 Uhr
Öffnungszeiten: Fr., 17. Juni – Sa., 25. Juni 2022, täglich 16.00 – 19.00 Uhr
Designers in Presence: Mi., 22. Juni 2022, 18.00 Uhr

Eine Veranstaltung der »Open Universities« der TH Köln und der Universität zu Köln, gefördert von der RheinEnergie Stiftung im Rahmen des Schwerpunktthemas »Gesellschaft und digitale Transformation«.

Bild: Maximilian Beck, Benjamin Bräuer, Kjell Wistoff und Mario Frank

Video: Benjamin Bräuer und Kjell Wistoff