In diesem kurzfristigen zweiwöchigen Projekt, unter der Leitung von KISD Alumni Sharmila Banerjee aus Berlin und Prof. Iris Utikal, im Wintersemester 2013/14, setzten die Studierenden sich mit dem »Beziehungs-Apperzeptionsverfahren« aus der Psychologie auseinander. Ziel des Projektes war es, Bildtafeln aus den 1960er Jahren der Kölner Universitäts-Professorin Sieglinde Kunert zeitgemäß darzustellen.
Der Wiener Individualpsychologe Alfred Adler (1870-1937) hat in seiner ganzheitlich orientierten Theorie dem so genannten „Gemeinschaftsgefühl“ als Ausdruck der Zusammengehörigkeit und Verbundenheit der Menschen und der Menschheit und damit dem sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen – Familie, Schule, Gleichaltrige – einen zentralen Stellenwert eingeräumt. Auch schulisches Lernen findet in der Gemeinschaft statt. Je besser Kinder in das Beziehungsgeflecht Schule – Familie – Gleichaltrige eingebunden sind, umso besser können sie sich auf die Erkundung ihrer Welt einlassen.
Wie aber erfasst man das Erleben von sozialen Beziehungen bei Kindern und Jugendlichen, wenn man nicht nur Fragebögen vorlegen oder direkte Befragungen durchführen möchte? Wie kann man Motive, Ängste und Sehnsüchte erfassen, über die oft nur indirekt gesprochen werden kann? In den 1960er Jahren entwickelte die Kölner Professorin Dr. Sieglinde Kunert 16 so genannte „projektive“ Bildtafeln mit verschiedenen sozialen Situationen, zu denen eine Geschichte erzählt werden sollte.
Bis heute dienen diese Bildtafeln z.B. beim Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln und in der Ausbildung von Individualpsychologischen Beratern und Analytischen Kinder- und Jugendlichentherapeuten als ergänzende Diagnostik bei Kindern mit schulischen Schwierigkeiten. Inzwischen ist das Bildmaterial allerdings veraltet – Kleidung, Frisuren, Möbel, aber auch die Darstellung von Geschlechterrollen (z.B. die strickende Mutter) entsprechen nicht mehr den heutigen Vorstellungen. Jochen Willerscheidt (Individual-psychologischer Berater und analytischer Kinder- und Jugendlichentherapeut) und Prof. Dr. Elisabeth Sticker (Diplompsychologin, Universität zu Köln/Universität Siegen) hatten deshalb die Idee einer Aktualisierung. In einem Kooperations-Projekt mit Studierenden der Köln International School of Design (KISD) stellten sie psychologisches Hintergrundwissen zur Verfügung. Prof. Iris Utikal (KISD) und Gastdozentin Dipl. Des. Sharmila Banerjee (Berlin) übernahmen die Leitung des Projekts. Der Auftrag an die Studierenden lautete, zeitgemäße Bildtafeln zu entwerfen.
Für diese erste Runde wurden die Themen „Essen mit den Eltern“, „Schulische Leistungssituation“ und „Fußballspiel im Freien“ ausgewählt. Die Bilder sollen eine relativ breite Altersspanne ansprechen (sechs bis zwölf Jahre) und die Hauptpersonen sollen sowohl als Junge als auch als Mädchen wahrgenommen werden können. Die Mimik und der Ausdruck der abgebildeten Personen soll offen gestaltet werden, so dass neben neutralen sowohl positive als auch negative Gefühle in die Akteure der Geschichten hinein„projiziert“ werden können.
Die vorliegenden 16 Entwürfe beeindrucken nicht nur durch ihren Stil, sondern auch durch Vielfalt und hohen Ideenreichtum, was die Detailgestaltung angeht. Der Auswahlprozess der dreiköpfigen Jury war sehr intensiv und entschied sich für die Arbeit von Lucia Cosma. Das aktualisierte Verfahren soll „Projektives Diagnostikum zum Beziehungserleben von Kindern“ (ProDiBez) genannt werden.
Die erstellten Bildtafeln wurden in einer Ausstellung im technischen Rathaus Köln beim schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln im Januar 2014 der Öffentlichkeit präsentiert.
Dipl.-Psych. Andreas Hamerski und Dipl.-Psych. Ute Schnell-Micka (Familienberatung und Schulpsychologischer Dienst Köln) versprechen sich viel davon, mit neuen Bildtafeln (d.h. ohne strickende Mutter) den unterschiedlichen Erscheinungsformen und Ursachen von schulischen Problemen auf die Spur zu kommen, um auf dieser Basis zusammen mit den Kindern Lösungsmöglichkeiten entwickeln zu können.
Die ausgewählte Darstellungsmethode von Lucia Cosma wird im Hans Huber Verlag in Bern verlegt werden.