Als Symbol für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft steht insbesondere das Trikot. In der Fankultur dient es als Identifikationsobjekt, das am eigenen Leib getragen werden kann und darüber hinaus häufig als Ausdrucksmittel für ein nationales Glücksgefühl oder Trauma. Im Schnitt wechselt das deutsche Fußballteam alle zwei Jahre pünktlich zum Beginn einer WM- oder EM-Endrunde das Trikot. Diesem »Trikottausch« widmen sich der KISD Student Sören Kelling und das Deutsche Sport & Olympia Museum in Köln in einer Ausstellung anlässlich der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine.
Eine Rückschau in die Vergangenheit zeigt in zwölf Stationen Fotos und Hintergrundinformationen zu allen bei einer EM-Enderunde getragenen Jerseys der deutschen Fußballnationalmannschaft seit Ende der 1960er bis heute. Dabei wirft die Ausstellung einen sportgeschichtlichen und gestalterischen Blick auf die Trikots und zeigt wie sich der Zeitgeist auf das Trikotdesign niedergeschlagen hat. Vom neuen Kragen über Applikationen in Schwarz-Rot-Gold bis hin zur Schriftart der Rückennummer – wie hat sich der DFB-Spieldress seit der ersten EM-Teilnahme einer deutschen Nationalmannschaft im Jahr 1972 verändert?
Zur ersten Teilnahme an einer Europameisterschaft im Jahr 1972 lief die DFB-Auswahl in den ursprünglich preußischen Farben Schwarz und Weiß auf. Die Spieler trugen weiße Hemden aus Baumwolle mit schwarzen Rundkragen und Armbündchen. Auf der Brust liebevoll aufgenäht fand sich lediglich das runde Emblem mit dem Bundesadler und dem Schriftzug »Deutscher Fußball Bund«. Diese Schlichtheit und Traditionalität dominiert in weiten Zügen bis heute das Erscheinungsbild der Nationalmannschaft. Die aus heutiger Sicht fehlenden modischen Bemühungen entsprachen durchaus dem damaligen Zeitgeist im Bereich der Sportbekleidung und spiegelten sich nicht zuletzt auch im Gewinn des ersten Europameistertitels wieder. Auch zwei Jahre später, als Deutschland 1974 zum zweiten Mal Weltmeister wurde, sollte das Trikot ein gutes Omen sein.
Eine Neustrukturierung des Wettbewerbs führte vermeintlich beim DFB dazu, das Trikot einem zeitgemäßen »Facelifting« zu unterziehen. Kleine Dekorationselemente, wie ein schwarzer Rand am Kragen und dünne körperbetonende Linien am Nahtbereich des Ärmels, ließen das Trikot Anfang der 80er Jahre moderner wirken. Im Finale 1980 zeigten sich dann auch erstmals die drei weltberühmten Streifen des Ausrüsters adidas auf dem Trikot. Der Gewinn des zweiten EM-Titels war der Beginn einer bis heute anhaltenden Kooperation zwischen Sportartikelhersteller adidas und dem Deutschen Fußball-Bund. Wurden bei der EM 1984 noch dezent mit weiß-grauen Farbwechseln experimentiert, kam es zur EM 1988 im eigenen Land erstmals zu einer Generalüberholung des Spielertrikots. Mit einer Fieberkurve setzt der DFB erstmals ein Signal und bekannte sich bei der Farbgebung erstmals offensiv zu den Farben der Deutschland-Flagge: Schwarz, Rot und Gold. Farblich zurückhaltender ging es bei der EM 1992 zu. Die deutschen Nationalfarben verschwanden von der Spielerbrust und wurden in den Schulterbereich zurückgedrängt. Vergleichsweise markant wirkte der schwarze V-Ausschnitt. Für die prägnantesten Änderungen sorgte das neue Ausrüstungsreglement. Die Rückseiten der Trikots mussten, aus Gründen der »Identifikation« für Zuschauer und Schiedsrichter, nun mit den Spielernamen beflockt werden.
Zum dritten EM-Titel 1996 reduzierte man die Gestaltung des Trikots noch weiter. Frei nach der Interpretation vieler bekannter Modedesigner, wie Helmut Lang oder Jil Sander wurde das Jersey »Minimal Chic« – eine klare und reduzierte Gestaltung waren Stilmittel der Mode jener Zeit. Die markanteste Neuerung waren dahingehend drei Sterne, die alle bisherigen WM-Titel Deutschlands symbolisierten.
Das Trikotdesign zu den EM-Endrunden 2000 und 2004 nahm für viele bereits im Vorfeld das sportliche Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft vorweg und sorgte für viel Diskussionsstoff. Obwohl es, gemessen an den Verkaufszahlen, überzeugen konnte, erschien es für viele als Fanartikel zu schlicht gestaltet. Ein Grund der Kritik waren vor allem die grau-schwarzen Ärmel des sonst eher schlicht in weiß gehaltenen Trikots. Erstmals medial in einem großen Rahmen wurde das Trikot der DFB-Elf für die Europameisterschaft 2008 präsentiert. Auch die Farben der deutschen Flagge waren wieder ein zentrales Gestaltungselement. Zusätzlich dazu optimierte Ausrüster adidas das Spielerdress auch im Bezug auf Reibungseffekte und Feuchtigkeitstransport (»ClimaCool«) und spiegelte dadurch den Trend zur Hightech-Bekleidung im Spitzensport wider.
Das Trikot zur EM 2012 in Polen und der Ukraine wurde erstmals am 9. November 2011 der Öffentlichkeit präsentiert. Die markanteste Neuerung der ansonsten zurückhaltenden Gestaltung: Über die Brust verlaufen von links nach rechts drei aufsteigende dünne Diagonalstreifen in Schwarz, Rot und Gold. Sie stehen laut Verbandsangaben symbolisch für die Attribute »Dynamik, Stolz und Eleganz«. Inwiefern sich das Trikotdesign und sportliche Abschneiden der deutschen Mannschaft miteinander in Verbindung bringen lassen, werden die kommenden Wochen zeigen.
Die Idee zur Ausstellung resultiert aus dem Intermediate-Project von Sören Kelling im Lehrgebiet Typografie und Layout. Unter dem Thema »Einflussfaktoren der Trikotgestaltung im Fußball« ging es insbesondere um die strengen Ausrüstungsregularien des Weltfußballverbands FIFA und die Frage, inwiefern ein freies Gestalten unterbunden wird. Im sog. FIFA-Ausrüstungsreglement finden sich zahlreiche Vorschriften, die ein Trikot auf Beschaffenheit, Dekorationselemente, Kennzeichnungen, Markierungen und sämtliche Größen (u.a. Spielername, Emblem, Rückennummer…) definieren. Die FIFA als Vereinigung des weltweiten Fußballs sieht seine Rolle dabei jedoch weniger in der Unterdrückung von Kreativität etc., als vielmehr in der Bewahrung der Traditionalität eines Sports.
Die Sonderausstellung »Trikottausch – Leibchen wird Lifestyle« findet noch bis zum 8. Juli 2012 im Deutschen Sport & Olympia Museum im Zollhafen 1 (direkt neben dem Schokoladenmuseum) in Köln statt.