Prof. Andreas Wrede
Die herkömmlichen Vorstellungen von Corporate Design, Corporate Identity oder Branding wandeln sich zu weitaus realistischeren Anschauungen des Themenfeldes Identität insgesamt. Selbstverständlich geht es nach wie vor um das Verständnis von Gestaltung und ihrer Wirkung auf Identität bedingende Kommunikationsprozesse. Identität und Design ist das Lehrgebiet an der Köln International School of Design, in dem kritisch und umfassend Konzepte und Gestaltungen von Identität rekonstruiert und reflektiert werden.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie mannigfaltig Design Identitäten formuliert: Beispielsweise in Sprache, Verhaltens- und Kommunikationsweisen, aber auch durch Marken, Produkte, Werbung, Musik, Mode und so weiter – wobei immer auch das grundsätzliche Problem vielfältiger Identitäten von Menschen und Körperschaften zentraler Gegenstand des Designstudiums in diesem Lehrgebiet ist.
Corporate Identity, Corporate Design, Branding- und Markenkonzepte:
Die Dynamik einer hektischen und globalen Ökonomie – an der auch das Design partizipiert – hat zu einer affirmativen »Verwortung« und Verwertung, wie zum Beispiel: Corporate Identity, Corporate Imagery, Corporate Language, Corporate Branding, Corporate Culture, Corporate Sound, Corporate Heritage, Corporate Communication, Corporate Behaviour, Corporate Corporate Social Responsibility und so weiter, geführt. Die Vielzahl an Modellen zur Corporate Identity und die bedeutungsvariable Strapazierung des Begriffs Identität im Jargon so genannter Trendforschung und des Marketings behindern zunehmend die begriffliche Orientierung. Auch wird in jenen Modellen dem Design eine Rolle zugewiesen, die einem erweiterten Verständnis keineswegs entspricht. Im Studium an der Köln International School of Design sollen auch jene Positionen, auf denen diese Modelle und ihre Praxis ihrerseits beruhen, identifiziert werden. Dabei sei beachtet, dass gerade Corporate Identity, Branding-Konzepte und deren Strategien zuweilen autoritär und normierend sind und gerade dadurch dem zuwiderlaufen, was Identität im besten Fall sein könnte. Ein um diesen zentralen Gedanken ergänztes Designverständnis ermöglicht, das zu analysierende Problem unabhängig von der eigenen Realität, die solche Modelle erzeugen, betrachten zu können.
Identitätsdiskurs:
Der Diskurs zur Identität mit seinen vielfältigen Positionen zeigt jedoch, dass personale oder kollektive Identitäten weder widerspruchsfrei noch so natürlich sind, wie sie mitunter angenommen und in praxisbezogenen Modellen gehandhabt werden. Für das Lehrgebiet von zentraler Bedeutung sind die bezugswissenschaftlichen Aspekte des Identitätsdiskurses aus Philosophie, Soziologie, Semiotik, Psychologie, Anthropologie, Gender- und Cultural-Studies, Kognitions-, Kommunikations-, Medien-, Sprach- und Bildwissenschaften. Im fachübergreifenden Diskurs zum Begriff der Identität finden sich Reflexionen, welche das differenzierte Spektrum von Identität verdeutlichen, wie zum Beispiel: Identität als dialektische Konstruktion: »Identität der Identität und der Nichtidentität« (G.W.F. Hegel); Identität als gesellschaftliche Problemstellung »von Geburt an« (Zygmunt Bauman); Identität zwischen »Pluralisierung und Individualisierung« (Ulrich Beck); Identität als etwas im gesellschaftlichen Prozess »durch Kommunikation zu Bildendes« (Herbert Mead); Identität als entwicklungspsychologische Herausforderung (Erik H. Erikson); Identität als Rolle (Erving Goffman); Identität durch Teilnahme an Interaktionsprozessen (Lothar Krappmann); Identität als »Narrationskonzept« (Wolfgang Krauss); Identität als »Passungsarbeit« zwischen Innen- und Außenwelten und als »Patchwork« (Heiner Keupp); Identität als »transitorischer Prozess« (Jürgen Straub); Identität in dynamischen »Figurationen«, als »Wir-Ich-Balance« (Norbert Elias); Identität und Geschlecht (Judith Butler); Identität als »Kampf um Anerkennung« (Axel Honneth) bis hin zur der radikalen Auflösung des Begriffs Identität als »ideologische Zwangsvorstellung« (Michel Foucault), um einige wesentliche Aspekte zu nennen.
Individuen, Gruppen, Organisationen ringen auf vielfältige Art und Weise um Aufmerksamkeit, Anerkennung, Macht und letztlich auch um Identitäten. Die damit zusammenhängenden politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Implikationen sowie deren Widersprüche und Divergenzen, sind Gegenstand gestalterischen Denkens und Handelns. Umso wichtiger erscheint es, dass Designerinnen und Designer über Kompetenzen und entsprechende Artikulationsmöglichkeiten verfügen, die über die reine Attributierung von Identität stiftender Kommunikation hinauszugehen. Hierin kann und muss Design auch eigene Identitäten formulieren und widerständig behaupten.
Lehr- und Lernformen, Kooperations- und Forschungsperspektiven:
Neben der basalen Re- und Dekonstruktion von Wissen zum Themenfeld Identität, seiner vielfältigen Modelle und Diskurspositionen in Seminaren, betreuten Lerngruppen und Vorlesungen, findet das Lehrgebiet Identität und Design seine kollaborativen Ergänzungen und fachlichen Perspektiven im Spektrum des Gesamtlehrangebotes der KISD. Darin werden in fachübergreifender Projektarbeit entsprechende Kompetenzen und praktische Fertigkeiten, erprobt und hinterfragt.Darüber hinaus werden in dem Lehr- und Forschungsfeld Identität und Design Forschungs- und Kooperationsprojekte, Symposien und Konferenzen durchgeführt.