Prof. Dr. Carolin Höfler

Designtheorie und -forschung an der KISD widmet sich Gestaltungs- und Entwurfsprozessen, die allgemein als praktische Vorgänge wahrgenommen werden, in denen ein Arbeitsprodukt geschaffen wird. Demgegenüber wird hier versucht, Gestaltung als einen Prozess des bewussten Erfassens und Erkennens zu begreifen, in dem Wissen hervorgebracht wird. Diese Perspektivverschiebung zielt darauf ab, etablierte wissenschaftliche Grenzziehungen in Frage zu stellen, und der Gestaltung zwischen den Geistes-, Natur- und Technikwissenschaften eine neue fundamentale Bedeutung zukommen zu lassen.

Das Bedürfnis, Gestaltung im Verhältnis zur Wissenschaft neu zu bestimmen, resultiert aus der Beobachtung von Übergangszonen zwischen den Disziplinen. So befassen sich die modernen Naturwissenschaften mit gestaltungsrelevanten Fragen, wenn natürliche Systeme nicht nur untersucht, sondern auch neu entwickelt werden. „Was sind Nano- oder Biotechnologien anderes als eine Ausdehnung von Design auf eine andere Ebene?“ (Bruno Latour, 2009). Auch die Geisteswissenschaften haben ihren Fokus auf Gestaltungspraktiken gelegt, um deren Bedeutung für die Gewinnung, Modellierung und Vermittlung von Erkenntnissen zu ergründen. Umgekehrt bemühen sich Design und Architektur in den vergangenen Jahren um eine theoretische Fundierung der Gestaltung als Prozess, um den Möglichkeiten einer genuinen ‘Entwurfsforschung’ nachzuspüren.

Im Kontext einer Designhochschule bewegt sich die Frage nach dem Verhältnis von Gestaltung und Wissenschaft im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. Hier setzen die Analysen und Entwurfsexperimente dieses Lehr- und Forschungsgebietes an. Ziel ist, einerseits ein besseres Verständnis von Gestaltungsprozessen im Hinblick auf die Konstituierung von Wissen und Wissensstrukturen zu gewinnen, andererseits neue Verfahren zu erkunden, mit denen gegenwärtiges Wissen weiterentwickelt werden kann. Einen Forschungs- und Arbeitsschwerpunkt bilden hierbei Praktiken, Medien und Konzepte der digitalen Formerzeugung. Das Spektrum reicht von der Analyse der Apparaturen und Werkzeuge über das Studium konkreter Generierungsverfahren bis hin zur Freilegung von Formtraditionen, die in die digitalen Prozesse und Produkte einfließen.